Schneeballprinzip

Mehr aus Web of Science rausholen – Ein Blick auf ausgewählte Spezialwerkzeuge

Web of Science (WoS) ist eine multidisziplinäre Abstract- und Zitationsdatenbank, die an der TUHH seit vielen Jahren über die Universitätsbibliothek (TUB) lizenziert wird. Sie bietet eine Vielzahl an speziellen Suchwerkzeugen, mit denen Informationen auf eine andere Art als in Standarddatenbanken für Journal-Artikel gefunden und ausgewertet werden können. Viele dieser Funktionen basieren auf der Nutzung von Zitaten und Referenzen innerhalb der jeweiligen Veröffentlichung, die in WoS indexiert ist.

Nach dem Finden eines Artikels nutzen wir häufig dessen Referenzen und Zitate, um weitere relevante Veröffentlichungen zu entdecken. Über die Referenzen gelangen wir zu älteren Arbeiten, während uns die Zitate auf neuere, themenverwandte Forschung hinweisen.

Wir können mithilfe derartiger Datenbankfunktionen sehen, wie sich wissenschaftliche Ideen und Konzepte von der Vergangenheit bis zur Gegenwart entwickelt haben. Finden wir also einen Artikel, der vielleicht schon einige Jahre alt ist, so lassen sich über diesen neue, aktuellere Informationen zu einem Thema finden.

WoS kann für TUHH-Angehörige über die TUB-Webseite auf folgendem Klickweg aufgerufen werden:

  • „Finden“ > „Datenbanken“ > Auswahl „Top-Datenbanken“

Da WoS eine Vielzahl von Funktionen bietet, fokussiert sich dieser Beitrag auf folgende fünf Funktionen, die auch im Rahmen der Collect-Write-Publish-Reihe 2025 im Workshop „Finding a Needle in a Haystack – Discovering Specialist Information“ thematisiert wurden:

1. Cited-Reference-Suche

Bei der Suche nach „Cited References“ geht es nicht um die Suche nach einem Thema, sondern um das Finden eines spezifischen Zitats. Hier geben wir Informationen zu einem Zitat ein, das uns vorliegt. Im Beispiel verwende ich:

  • „Cited Author“ = „Antranikian“
  • „Cited Title“ = „Extremophiles“
  • „Cited Year(s)“ = „2007“

Nach dem Klick auf „Search“ werden uns zwei Treffer angezeigt, die zu unserer Suche passen. Ich klicke in diesem Fall auf das gesuchte Zitat aus dem Jahr 2007 mit der konkreten Seitenzahl:

Mit Klick auf „See Results“ sehen wir nun alle Artikel, die den ausgewählten Artikel zitiert haben und neuer sind als unser Ausgangsartikel aus dem Jahr 2007. In der Standardeinstellung ist die Liste nach „Relevance“ sortiert. Nun können wir die Liste durchsehen, um zu prüfen, ob etwas in Bezug auf unser Recherchethema relevant ist. Finden wir etwas, so ist es natürlich auch bei diesem Artikel wieder möglich zu sehen, welche Quellen zitiert wurden und welche anderen Beiträge den ausgewählten Artikel referenziert haben. Das klassische Schneeballprinzip, das je nach Fachdisziplin auch als Vorwärts- und Rückwärtssuche bezeichnet wird, ermöglicht es uns, durch das Verfolgen von Zitaten und Referenzen weiterführende Quellen zu entdecken.

Wir können die Liste aber auch analysieren, um zum Beispiel zu sehen, wie die nun gefundene Literatur genutzt wird. Hierzu klicken wir auf „Analyze Results“:

WoS zeigt nun eine Verteilung der Zitate nach internen Kategorien der Datenbank, wie etwa dem Fachgebiet, aus dem die Zitate stammen. Hier ist es möglich, die Suche von der Kategorie „Web of Science Categories“ zu einer Vielzahl weiterer Kategorien wie „Document Types“, „Authors“ oder beispielsweise „Affiliations“ abzuändern.

Mit letzterer können wir uns die Datensätze einer bestimmten Universität anschauen und die spezifischen Ergebnisse der jeweiligen Einrichtung sehen.

„Cited References“ sind also eine gute Möglichkeit, wenn wir neuere Forschungsergebnisse einsehen oder zitieren wollen als die, die wir zuvor genutzt haben.

2. Researcher Finder

Eine weitere nützliche Funktion in WoS ist der „Researcher Finder“. Mit diesem können Forscher*innen die Publikationshistorie bestimmter Autor*innen nachvollziehen. Somit lassen sich alle Arbeiten finden, die von einer bestimmten Person in WoS indexiert sind. Die Möglichkeit, schnell einen Überblick über wichtige Veröffentlichungen von Autor*innen zu gewinnen kann zum Beispiel nützlich sein, wenn man in einer spezifischen Fachdisziplin tätig ist oder Interesse an einer hochschulübergreifenden kollaborativen Forschungsarbeit hat.

Diese Suche kann nach Aufruf von WoS unter anderem über den Reiter „Researcher“ gestartet werden. In unserem Beispiel suchen wir nach „Ringle, C*“. Neben dem gesuchten Christian Ringle werden noch weitere Forschende angezeigt. Bei längeren Listen kann es nützlich sein, am linken Bildschirmrand zusätzliche Filter zu aktivieren, die die Ergebnisliste reduzieren. In diesem Beispiel reduzieren wir die Treffermenge durch Auswahl der Affiliation „Hamburg University of Technology“ und klicken auf „Refine“. Im nachfolgenden Bildschirm wählen wir das gesuchte Profil aus.

Nun kann die Publikationsliste von Christian Ringle in WoS eingesehen werden. Darüber hinaus gibt es unter anderem Metriken zu den aufgeführten Publikationen inklusive der Möglichkeit, einen Zitationsreport („View citation report“) oder auch eine automatische Benachrichtigung zu erstellen („Add alert“). Diese informiert über Aktualisierungen bei den Zitationswerten oder in der Publikationsliste.

3. Highly Cited Papers

Der Filter „Highly Cited Papers“ ermöglicht es uns, besonders häufig zitierte Arbeiten zu finden, die entweder innerhalb aktiver Suchen (wie der „Cited References“-Suche im vorherigen Abschnitt) als auch bei neuen Suchanfragen angewendet werden können. Dieser Filter hilft uns, gezielt auf Arbeiten zu blicken, die innerhalb unseres Forschungsfeldes oder im Zusammenhang mit unserer Forschungsfrage besonders häufig zitiert werden. Häufige Zitationen deuten darauf hin, dass diese Veröffentlichungen in der wissenschaftlichen Diskussion besonders bedeutend sind. Um diesen Filter zu verwenden, suchen wir in diesem Beispiel nach den Begriffen „renewable energy“ und „Bioreactor“, klicken auf „Search“ und erhalten eine Trefferliste mit 948 Ergebnissen:

Nun möchten wir ausschließlich „Highly Cited Papers“ angezeigt bekommen. Diesen Filter finden wir auf der linken Seite des Fensters. Aktiviert wird dieser nach Auswahl der Checkbox und Klick auf „Refine“. Im Beispiel reduzieren sich die 948 Treffer auf eine Liste mit 15 Ergebnissen:

Dieser Filter ist besonders hilfreich, um wichtige Arbeiten in einem bestimmten Themenbereich schneller zu identifizieren. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass der Filter auf der Anzahl der Zitationen basiert. Sehr neue oder spezifische Arbeiten, die noch nicht viele Zitationen erhalten haben, könnten daher nicht angezeigt werden. In der Praxis kann dieser Filter beispielsweise bei der Erstellung eines Literature Reviews von Nutzen sein, da er dabei unterstützt, die zentralen Forschungsbeiträge innerhalb eines Feldes hervorzuheben und leichter zugänglich zu machen.

Zusätzlich hilft dieser Filter, sich einen Überblick über die am häufigsten diskutierten Themen und Theorien in einem Fachgebiet zu verschaffen. Er kann als Ausgangspunkt dienen, um aktuelle und relevante Arbeiten zu finden, die in der wissenschaftlichen Diskussion eine Schlüsselrolle spielen.

4. Impact Factor

Der Impact Factor (IF) ist eine Zahl, die die Zitationshäufigkeit eines wissenschaftlichen Journals innerhalb eines Jahres abbildet. Diese Zahl steht also nicht für Qualität, da eine Fachzeitschrift sowohl für positive als auch für negative Dinge zitiert werden kann. Eine gewisse Qualität wird dabei nur angedeutet. Ursprünglich sollte dieser Wert Bibliotheken unter anderem bei der Auswahl von Zeitschriften unterstützen, insbesondere beim Erwerb von Subskriptionen. Heute wird der IF als ein (auch umstrittenes) Instrument zur Beurteilung wissenschaftlicher Publikationsleistungen verwendet.

Um den IF in WoS aufzurufen, gehen wir in der oberen rechten Bildschirmecke auf „Products“ und wählen „Journal Citation Reports“. Hier haben wir nun eine Suchmaske für Journals. Als Beispiel rufen wir nun ein Journal auf, für das TUHH-Angehörige im Rahmen von Verlagsvereinbarungen über die TUB Sonderkonditionen für das Publizieren in Open Access haben. Im Suchfeld geben wir den Titel „Lancet“ ein und rufen den IF auf.

Mit derzeit 98.4 ist dieser sehr hoch. Genauer einordnen lässt sich dieser Wert aber, wenn wir weiter nach unten scrollen, zum Abschnitt „Rank by Journal Impact Factor“. Hier sehen wir, dass „Lancet“ in der Kategorie „Medicine, General & Internal“ Platz 1 von 329 Journals belegt. Es ist also das höchstrangige und meistzitierte Journal in dieser Kategorie.

Nun schauen wir uns mit „Current Climate Change Reports“ ein anderes Journal für einen Vergleich an, welches der Kategorie „METEOROLOGY & ATMOSPHERIC SCIENCES“ zugeordnet ist. Der IF liegt bei 9.4, also deutlich niedriger als der von „Lancet“ (98.4).

Das bedeutet aber nicht, dass es sich hier um ein weniger hochwertiges Journal handelt. Deutlich wird dies, wenn wir erneut zum Ranking scrollen. Hier sehen wir, dass „Current Climate Change Reports“ Platz 3 von 110 Journals in der Kategorie „METEOROLOGY & ATMOSPHERIC SCIENCES“ belegt.

Es befindet sich also unter den drei bestplatzierten Journals dieser Kategorie, was darauf hindeutet, dass es ebenfalls ein hochwertiges Journal ist – nur eben ohne die breite Sichtbarkeit wie „Lancet“. Dies kann oft mit der zugehörigen Fachdisziplin und dem jeweiligen Thema zusammenhängen.

Insgesamt erscheint das Ranking als aussagekräftigeres Kriterium als der IF selbst, da so zumindest erkennbar ist, wie ein Journal im Vergleich zu anderen innerhalb seines Fachgebiets abschneidet.

5. Delisted journals

In WoS lassen sich auch monatlich „delistete“ Journals einsehen. Wenn eine Fachzeitschrift aus dem WoS-Index entfernt wird, so werden die Beiträge dieser Publikation nicht mehr indiziert, Zitate nicht mehr gezählt und dem Titel kein IF mehr zugewiesen. Solche Journals sollten von Autor*innen zumindest mit Vorsicht betrachtet werden. Bei Interesse ist es wichtig zu prüfen, ob die Entfernung aufgrund von Qualitätsproblemen wie mangelhaften Peer-Reviews, Verdacht auf Predatory Journals (siehe auch Informationsseite Predatory Journals und Fake Konferenzen der TUB.) oder Manipulation von Zitaten erfolgte.

Besonders wichtig ist dies abseits der generellen Einhaltung der Guten Wissenschaftlichen Praxis, wenn die eigene Arbeit eine hohe Reputation benötigt, zum Beispiel für das akademische Publizieren, Dissertationen oder auch Bewerbungen. Viele Hochschulen und Forschungsfördernde achten darauf, dass Publikationen in Datenbanken wie WoS und Scopus gelistet sind. Wenn eine Veröffentlichung in einem fragwürdigen Journal erfolgt, das in WoS delisted wurde, so kann der eigene wissenschaftliche Ruf geschädigt werden – vor allem, wenn das Journal wegen Qualitätskriterien und fragwürdigen Publikationspraktiken entfernt wurde.

Um einen Blick auf die Delisted-Journals-Liste werfen zu können (ein Clarivate-Account wird benötigt), gehen wir zunächst auf „Products“ am oberen rechten Bildschirmrand (WoS-Oberfläche) und wählen im Anschluß „Master Journal List“. Mittig am oberen Bildschirmrand klicken wir nun auf „Downloads“. Die für uns hier interessante Option ist „Monthly Changes Archive“. Die entfernten Journals der vergangenen Jahre sind in Jahreslisten als Download verfügbar. Für das aktuelle Jahr stehen Monatsübersichten bereit:

Zusammenfassung

Web of Science bietet eine Vielzahl an Funktionen, die Forschende bei der Literaturrecherche und Bewertung wissenschaftlicher Arbeiten unterstützen. Vom Finden spezifischer Zitate (Cited References) über die Analyse viel zitierter Arbeiten (Highly Cited Papers) bis hin zur Beurteilung von Fachzeitschriften anhand des Impact Factors kann WoS hilfreiche Einblicke in wissenschaftliche Netzwerke und die Relevanz von Publikationen liefern. Die Funktion zur Identifikation von nicht mehr gelisteten Journals hilft Forschenden, die Qualität und Reputation von Journals, die sie verwenden, kritisch zu hinterfragen. Für das Open-Access-Team der TUB ist diese Funktion unter anderem hilfreich, wenn es Rückfragen zu Zeitschriften gibt, die möglicherweise nicht mehr in WoS gelistet sind und daher nicht mehr als geeigneter Publikationsort infrage kommen. Darüber hinaus gibt es weitere nützliche Tools wie den Manuscript Matcher, der Forschenden hilft, auf Basis ihres Manuskripts geeignete Zeitschriften für ihre Veröffentlichungen zu finden.


CC BY 4.0
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Mit Napkin.AI Grafiken aus Text generieren – Ein Tool für Bibliothek, Lehre und Studium?

In der Kategorie ‚Fundstück‘ werden Tools, Services und andere Entdeckungen rund um den life cycle wissenschaftlicher Kommunikation in kurzen Texten vorgestellt.

Mit Napkin.AI lassen sich aus Texten ohne großen Aufwand Visualisierungen erstellen. Eine Freundin aus der Verlagsbranche, die sich regelmäßig mit Tech-Trends beschäftigt, hat mir das Tool empfohlen. Auch für meine Arbeit in der Hochschulbibliothek sehe ich viel Potenzial – insbesondere für die Bibliotheksarbeit, das Studium und die Lehre. Einige Anwendungsideen stelle ich in diesem Blogbeitrag vor.

Der Beitrag ist in folgende Abschnitte eingeteilt:

1. Was ist Napkin.AI?

Mit dem KI-Tool Napkin.AI lassen sich Texte mühelos in Visualisierungen umwandeln. Und das wirklich unkompliziert: Man kopiert eine selbst verfasste oder automatisch generierte Textpassage in das Tool, das daraus ein Diagramm, eine Ablaufskizze oder eine andere passende Grafik erstellt. So lassen sich Abläufe verständlicher darstellen – ganz ohne den Aufwand, eigene Grafiken zu erstellen.

1.1 Anmeldung

„Napkin“ bietet drei Pricing-Modelle an: das Starter-, das Professional- und das Enterprise-Paket. Sowohl das Starter- als auch das Professional-Paket sind in der Beta-Version kostenlos. Für diesen Beitrag und verschiedene Testsituationen habe ich die Starter-Variante verwendet.

1.2. Einfache Schritte zum aussagekräftigen Schaubild

  1. Zuerst wählt man, ob der Text, der später als Bild dargestellt werden soll, selbst geschrieben oder von Napkin durch einen Prompt generiert werden soll. Die KI kann sowohl englische als auch deutsche Texte erstellen.
  1. Als Nächstes kann ausgewählt werden, welcher Teil des Textes in ein Schaubild umgewandelt werden soll. Entweder markiert man die entsprechende Textstelle oder nutzt das Blitz-Symbol, das links neben jedem Textabschnitt angezeigt wird. In diesem Beispiel habe ich drei gängige Formen des Open-Access-Publizierens verwendet.
  1. Wenige Augenblicke später werden auch schon verschiedene Schaubilder vorgeschlagen. In meinem Fall konnte ich aus über vierzig verschiedenen Optionen wählen. Einige waren jedoch sehr ähnlich und unterscheiden sich hauptsächlich in Design und in den verwendeten Symbolen. Durch Änderungen im Text und erneutes Generieren mit dem Blitz-Symbol können weitere Schaubilder vorgeschlagen werden.

Hat man sich für eine Variante entschieden, bestätigt man sie einfach per Klick. Im Anschluss kann das Bild heruntergeladen oder bei Bedarf manuell angepasst werden.

1.3. Weitere Funktionen von Napkin

Napkin hält neben dem Generieren von Bildern auch noch weitere Funktionen bereit: Über die Menüleiste können „Labels“ gesetzt werden, um den Text zu annotieren. Zudem lassen sich auch kleine Zeichnungen erstellen, die dann automatisch in Pfeile, Kreise oder andere Symbole umgewandelt werden:

Alternativ kann über das Lupen-Symbol eine Symbolsuche durchgeführt werden. Wird ein passendes Icon gefunden, so kann dieses ebenfalls eingefügt werden:

2. Ideen zur Nutzung

Napkin.AI bietet verschiedene Möglichkeiten, um Arbeitsabläufe, Konzepte und Lernprozesse visuell zu unterstützen. Im Folgenden möchte ich einige konkrete Einsatzmöglichkeiten vorstellen, die sowohl für die tägliche Arbeit als auch für Lehr- und Studienkontexte hilfreich sein können.

2.1 Arbeitsabläufe und Einarbeitungsprozesse visuell unterstützen

In unserem Open-Access-Team müssen wir viele organisatorische und verwaltungstechnische Abläufe abbilden. Wenn man sich länger mit diesen Themen auseinandersetzt, sind diese Abläufe meistens (aber nicht immer) nachvollziehbar. Skizzen können zum Beispiel für Außenstehende oder im Rahmen von Abteilungshospitationen helfen, um die interne Dokumentation, generelle Abläufe und auch Einarbeitungsprozesse klarer zu gestalten. Ein konkretes Beispiel, bei dem wir diesen Ansatz genutzt haben, ist die Erstellung eines FAQ für die Bibliotheksnutzung. Hierzu haben wir eine Liste mit Fragen aus den Spätdiensten an der Servicetheke zusammengestellt, die wir anschließend visualisieren ließen.

2.2 Veranstaltungsskizzen erstellen

Workshops – sei es nun für Open-Access-Einführungen, Bibliotheksrundgänge oder andere Bibliotheksthemen – beginnen in der TUB oft mit schriftlichen Konzepten. Gerade bei eigenen, umfangreicheren Texten entwickelt man aber nicht selten einen blinden Punkt und Lücken in der Planung werden zunächst übersehen. Eine schnell mit Napkin erstellte Ablaufskizze auf Basis eines selbst erstellten Konzepts in Textform kann helfen, den roten Faden zu überprüfen oder ergänzende Ideen für das Konzept leichter zu erkennen und weiterzuentwickeln.

2.3 Ergänzung für Lehrveranstaltungen

Die TUB ist an verschiedenen Lehrveranstaltungen beteiligt und bietet Bachelorstudierenden an der TUHH unter anderem das Seminar „Wissenschaftliches Arbeiten“ an. Hier wird der Schreibprozess von der Ideenfindung bis zur Abgabe begleitet. Zu Semesterbeginn wird dazu immer der Seminarablauf skizziert. Für die Dozierenden ist der Ablauf klar, für Studierende die diesen Plan zum ersten Mal sehen, kann mit Napkin eine visuelle Skizze erstellt werden, die Studierenden den gesamten Prozess noch verständlicher macht.

Ein spannender Ansatz für die Lehrveranstaltung könnte auch darin bestehen, dass die Studierenden zunächst den Ablauf ihres eigenen Schreibprozesses in Textform festhalten und von Napkin visualisieren lassen. Anschließend wird ein theoretisch typischer Ablauf des wissenschaftlichen Schreibens vorgestellt und ebenfalls visuell abgebildet. Durch diesen Vergleich können sie nicht nur individuelle Unterschiede erkennen, sondern auch bewusst hinterfragen, warum sie bestimmte Schritte so ausführen, wie sie es tun, und ob Anpassungen sinnvoll wären. Gleichzeitig kann diese Übung ein Bewusstsein für die Grenzen von KI-Anwendungen wie Napkin schaffen – vor allem dann, wenn die automatisch generierte Visualisierung relevante Aspekte des eigenen Prozesses nicht wie erwartet abbildet. Diese Erkenntnisse bieten eine gute Grundlage für eine gemeinsame Reflexion und Diskussion.

3. Kritische Gedanken

Wo KI-Tools ins Spiel kommen, sollte eine kritische Reflexion natürlich nicht fehlen. Wie bei anderen vergleichbaren Anwendungen gilt auch für Napkin: Es ersetzt nicht die Eigenleistung, sondern kann sie an passenden Stellen ergänzen. Wenn das Durchdringen von Texten Dritter schwerfällt, spricht meiner Ansicht nach nichts dagegen, eine KI-generierte Abbildung zu nutzen, um Inhalte besser zu verstehen. Wenn eigene Inhalte mit einer automatisch erzeugten Abbildung ergänzt werden, ist jedoch eine korrekte Quellenangabe wichtig. An der TUHH gibt es hierfür zur Unterstützung auch eine Handreichung zu KI-Tools in Studium und Lehre.

Napkin bietet viele Vorteile. Unsere Tests haben aber gezeigt, dass eine intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten trotzdem wichtig bleibt. Bei einigen Probeläufen, zum Beispiel bei Seminarskripten, waren die von Napkin generierten Abbildungen im Vergleich zu selbst erstellten Konzeptskizzen oft zu stark vereinfacht. Dadurch wurden mitunter relevante Inhalte komplett ausgeblendet.

KI-Tools sollten nicht dazu verleiten, eigene Fähigkeiten zu vernachlässigen. Dadurch könnte sonst eine stärkere Abhängigkeit von Technologie entstehen. Auch mit zunehmender technischer Unterstützung bleibt es entscheidend, sich intensiv mit Inhalten auseinanderzusetzen. Lernen bedeutet mehr als das Übernehmen fertiger Inhalte – es erfordert eine Auseinandersetzung, Recherche, kritisches Denken und aktives Ausprobieren. Der kompetente Umgang mit KI-Tools kann diesen Prozess bereichern, sollte aber nicht die Entwicklung grundlegender Fähigkeiten ersetzen.

Eine ausführlichere Reflexion über den Einsatz von KI-Tools zur Forschungsunterstützung findet sich im Beitrag Texte besser verstehen mit KI-„Copilot“? Workflow und Gedanken zur Kombination von Zotero und SciSpace.

4. Fazit

Napkin.AI ist ein nützliches Tool, das einfach zu bedienen ist und die schnelle Erstellung von Visualisierungen ermöglicht. Die generierten Abbildungen sind hilfreich, um Informationen zu veranschaulichen und das Verständnis zu fördern. Besonders positiv fällt die Qualität der generierten Texte auf. Ein kleiner Nachteil ist jedoch, dass die KI-generierten Texte auf Deutsch oft wesentlich kürzer und allgemeiner gehalten sind als die englischen Varianten. Zudem sind die Bearbeitungsmöglichkeiten für die generierten Bilder noch recht eingeschränkt.

Der Einsatz von KI-Tools wie Napkin erfordert immer einen kritischen Blick. Die KI kann dabei helfen, Textinhalte zu visualisieren, ersetzt aber nicht die tiefgehende Auseinandersetzung mit einem Thema. Die Qualität der generierten Abbildungen variiert, sodass relevante Inhalte verloren gehen können, wenn Texte zu stark vereinfacht werden. Es bleibt also entscheidend, dass Nutzende eigenes Wissen und ihre Fähigkeiten weiter einbringen und üben.

In Zukunft könnte ich „Napkin“ öfter nutzen, da visuelle Darstellungen oft schneller erfasst werden als bloßer Text. Das Tool würde mir nicht nur beim Überprüfen eigener Texte helfen, sondern auch als Unterstützung beim Lernen dienen – nicht zuletzt über KI selbst.

Dieser Beitrag wurde gemeinsam von Vera Gnadt und Florian Hagen verfasst, aber zur besseren Lesbarkeit aus einer Ich-Perspektive geschrieben.


CC BY 4.0
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind – sofern nicht anders angegeben – lizenziert unter CC BY 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: Napkin.AI: Grafiken automatisiert aus Text erstellen – Beispiele und Überlegungen für Bibliotheksarbeit, Lehre und Studium von Vera Gnadt & Florian Hagen, Lizenz: CC BY 4.0. Der Beitrag und dazugehörige Materialien stehen auch im Markdownformat und als PDF zum Download zur Verfügung.