Alles digital – Studierende übers Onlinesemester 2020 an der TUHH (Teil 2)
In der vergangenen Woche haben bereits vier Studierende unseres Bachelorseminars Wissenschaftliches Arbeiten im ersten Teil von Alles digital – Studierende übers Onlinesemester 2020 an der TUHH ihre Eindrücke und Erfahrungen aus dem Corona-Semester geteilt.
In diesem Beitrag folgen drei weitere Erfahrungsberichte zu unterschiedlichen Zeitpunkten im vergangenen Semester:
- Zwei Wochen Onlinelernen – Essay vom Studieren in Zeiten von Corona (Simon Stahl)
- Studieren in Zeiten von Corona – Eindrücke des Online-Semesters (Anja Müller)
- Onlinelehre und Onlinelernen – Eine erste Bilanz nach zwei Wochen (Kilian Makswit)
An dieser Stelle nochmal ein großer Dank an die Studierenden, die ihre Eindrücke offen teilen.
Simon Stahl geht in seinem Beitrag auf die Auswirkungen des Wegfalls vermeintlicher Selbstverständlichkeiten im bisherigen Hochschulalltag ein und betrachtet positive sowie negative Auswirkungen des Online-Semesters auf das eigene Lernverhalten:
Zwei Wochen Onlinelernen – Essay vom Studieren in Zeiten von Corona
von Simon Stahl
Wie habe ich Corona persönlich wahrgenommen? Als die Nachricht kam, habe ich mich erst einmal gefreut: der Semesterbeginn wird um 20 Tage verschoben. Das bedeutete eine überraschende und dringend benötigte Auszeit in dem ansonsten durch Klausuren von Ferien befreiten Studiendasein. Und für mich ist auch nur eine Klausur ausgefallen, die ich schon in großen Teilen vorbereitet hatte.
Abseits von der Uni verursachte die Pandemie für mich auch vorerst keine allzu großen Einschränkungen. Glücklicherweise ist mein Job nicht von den Auflagen betroffen, meine Eltern unterstützten mich finanziell, und ich bin kurz vor dem Lockdown mit Freunden in eine größere Wohnung umgezogen, in der es sich auch für längere Zeit aushalten lässt. Das geht aber nicht allen so. Ein Kommilitone von mir lebt in einem kleinen Wohnheim-Zimmer mit einem Mitbewohner, den er sich nicht aussuchen konnte. Normalerweise ist er so viel auswärts unterwegs wie möglich, das geht jetzt nicht mehr. Andere Kommilitonen von mir haben jetzt eine Einnahmequelle weniger und können sich nun weniger auf das Studieren konzentrieren. Das macht einem bewusst wie viel auch vermeintliche Selbstverständlichkeiten, wie akklimatisierte Lernräume (von denen die Uni wirklich einige mehr gebrauchen könnte), die Mensa oder Arbeitsgruppen, in denen man sich direkt austauschen kann, zu einem Chancenausgleich beitragen können. Ich bemerke auch bei mir selbst, wie stark mein räumliches, aber auch menschliches Umfeld meine Leistungsbereitschaft beeinflusst.
Das Semester begann relativ friedlich und inhaltlich unaufgeregt. Erst einmal mussten die Kommunikationswege eingerichtet und technische Probleme beseitigt werden – für mich kein Grund zur Beunruhigung. Als es mit dem Vorlesungsstoff dann losging, hatte ich große Hoffnungen: Für mich als extreme Nachteule waren die Vorlesungszeiten bis dato immer unangenehm. In frühen Vorlesungen hatte ich Schwierigkeiten mit der Aufmerksamkeit, so dass ich diese abends nachholen musste und dauerhafter Schlafmangel somit auch ein Problem darstellte. Online-Semester bedeutete für mich also in erster Linie gesünderes und effektiveres Lernen. Deshalb habe ich mich auch vor Corona schon häufiger mit Konzepten wie Flipped Classroom beschäftigt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das wissenschaftliche Personal wird entlastet und inhaltliche Updates können jederzeit ergänzt werden. Das bietet dann die Möglichkeit den Inhalt didaktisch aufzuwerten.
Ich habe gerade in den technischen Disziplinen festgestellt, dass z.B. eine Grafik oder Animation Zusammenhänge extrem gut vereinfachen kann und den Studierenden einige Stunden an Verständnisproblemen ersparen würde. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür bietet der Youtube-Kanal 3Blue1Brown, der komplexe mathematische Zusammenhänge meist geometrisch erläutert. Jeder kann in seinem Tempo und zu seinen Tageszeiten lernen und eine schwierige Passage kann wiederholt werden. Allerdings habe ich mich auch mit den Kardinalfehlern bezüglich solcher Konzepte beschäftigt: Onlinelehre heißt nicht, dass es keine Präsenzveranstaltungen gibt, in denen der Dozent auf Fragen oder Unverständlichkeiten eingeht. Flipped Classroom heißt nicht, dass sich Studierende unter dem Semester zurücklehnen können. In einer Präsenzveranstaltung sollte also nicht wiederholt oder zusammengefasst werden. Sie sollte eine Schwierigkeit aufweisen, die den Studierenden zeigt, dass man sich regelmäßig vorbereiten muss. Und am wichtigsten: Onlinelehre heißt nicht, dass Studierende alleine gelassen werden. Tutorien in kleinen Gruppen bleiben wichtig.
Ich musste feststellen, dass – wenn sich die gesamte Lehre schnell und gezwungenermaßen umstellen muss – solche Fehler nicht ausbleiben. In Mathe 4 z.B wurde lediglich ein Skript ohne zusätzliche Erläuterungen, wie es sie in einer Vorlesung gäbe, ausgehändigt. Es gibt hier auch keine Übungsgruppen, nur die Aufgaben. Ich habe keine Möglichkeit hier direkt Fragen zu stellen oder eine Erklärung aus der (anderen) Perspektive des Tutors zu bekommen. Wirklich sehr schade. Summa summarum hat aber bei meinen Vorlesungen der Wechsel in die Onlinewelt gut funktioniert. Es gibt auch einige wirklich toll umgesetzte Vorlesungen, wie z.B. Elektrische Maschinen mit einem Online-Wiki, regelmäßigen Tests und interaktiven Inhalten.
Eines ist mir allerdings gerade in den späteren Tagen dieses Semesters bewusst geworden. Digitales Lernen mit seinen innovativen Konzepten und die – durch Corona hervorgerufene – Situation an den Hochschulen ist nicht unbedingt das gleiche. Es fehlt mir mittlerweile der Austausch mit den anderen Studierenden. Die bloße Präsenz von interessierten Mitmenschen ist für mich eine große Motivationsquelle und die Selbstisolation geht nicht spurlos an der Psyche vorbei. Am Ende des Tages sind die angebotenen Inhalte nur dann effektiv, wenn man sie selbst auch wahrnimmt, und das fällt mir manchmal ohne Ansporn von außen etwas schwer. Ich denke mit den Gedanken bin ich nicht allein.Zusammenfassend freue ich mich wieder auf ein normales Semester, bei dem man im realen Leben zusammenkommt. Trotzdem hat Corona auch seine positiven Seiten. Ich hoffe und bin davon überzeugt, dass innovative Lehrkonzepte jetzt auch an deutschen Hochschulen angekommen sind und deren Struktur ein wenig modernisiert wird.
Anja Müller berichtet unter anderem von der Ungewissheit, die die Corona-Pandemie zunächst vor allem im Hinblick auf viele organisatorische Fragen im Studium aufgeworfen hat, Herausforderungen beim Umgang mit den bereitgestellten digitalen Werkzeugen und „echte Semesterferien“:
Studieren in Zeiten von Corona – Eindrücke des Online-Semesters
von Anja Müller
COVID-19 hat in so ziemlich allen Bereichen unseres Lebens Veränderungen hervorgerufen – sei es unser Umgang mit sozialen Kontakten, unser Arbeitsalltag, die Abläufe des dienstäglichen Wocheneinkaufs, der Konsum lokaler und globaler Medien, der Austausch mit Familie und Freunden oder unser Freizeitverhalten. Und so, wie zahlreiche Arbeitnehmer ins Homeoffice gegangen sind, müssen die meisten Studierenden dieses Semester – zumindest die erste Zeit – von Zuhause aus lernen.
Das erste Mal musste ich mir Gedanken über die Uni im Zusammenhang mit Corona machen, als es Mitte März plötzlich hieß, meine Klausur, die ich drei Tage später hätte schreiben sollen, würde abgesagt. Es war kurz vor dem Wochenende und es blieben zunächst viele Fragen offen: Ganz abgesagt? Ohne Nachschreibtermin? Für die ganze noch ausstehende Klausurenphase? Oder kommt in einer Woche die Nachricht, dass sie doch noch geschrieben wird? Ganz kurzfristig? Soll man weiter lernen? Oder lieber die unverhofften Ferien genießen?
Ich hatte mich, als es mit „Corona“ los ging, mit meinem Freund zusammen bei seinen Eltern in deren großem Haus auf dem Land einquartiert. Und nachdem ich das Wochenende mit weiterem Lernen und vielen unbeantwortbaren Fragen verbracht hatte, beschloss ich, die unverhoffte freie Zeit zu genießen. Da mein Freund an einer Fachhochschule studiert, hatten wir immer sehr unterschiedliche Semesterferien und es noch nie wirklich geschafft, zusammen frei zu haben. Diese Gelegenheit musste genutzt werden. Zum ersten Mal überhaupt brachte er mich dazu, mit ihm zusammen Computerspiele zu spielen – von morgens bis spät in die Nacht. Als das langweilig wurde, holten wir uns Material aus dem Baumarkt, um eine Hebeeinheit für einen Monitor zu bauen, der auf Knopfdruck im Schreibtisch versinken oder hervorkommen sollte. Außerdem hatte ich wieder Zeit fürs Malen und Zeichnen gefunden. Aber auch für die Uni wurde ab und an etwas gearbeitet: das ein oder andere Projekt oder Fach musste vorbereitet oder bearbeitet werden. Nach einiger Zeit kam dann die Nachricht, dass der Beginn des Sommersemesters um knapp drei Wochen nach hinten verschoben werden und bald hieß es, das Semester würde online stattfinden, vollständig ohne Anwesenheit in der Uni – klasse!
Ich habe von meinem Wohnheim einen Weg von exakt einer Stunde mit der S-Bahn in die Uni. Die Motivation, dorthin zu fahren, sinkt in Anbetracht dieses Aufwandes, wenn man nur ein oder zwei Vorlesungen am Tag hat, wenn mehrere Vorlesungen mit großen Pausen über den ganzen Tag verteilt sind oder wenn die Vorlesungen schlichtweg langweilig sind und man sie eh damit verbringen würde, mit Kommilitonen zu tratschen. Dieses Problem würde ich im Online-Semester nicht mehr haben. Zudem war ich auch vorher schon davon überzeugt, dass aufgezeichnete Vorlesungen wesentlich besser für mich zum Lernen geeignet sind. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man kann zurückspulen, pausieren und das naheliegendste: die Vorlesung anschauen, wann und wo man möchte. Selbst wenn ich in der jeweiligen Vorlesung anwesend war, habe ich sie mir oft noch einmal im Nachhinein online angesehen. Einfach, weil ich da wesentlich konzentrierter und motivierter bei der Sache bin. Ich habe mich demzufolge also sehr auf das anstehende Semester gefreut. Nicht zuletzt auch, weil das bedeutete, dass mein Freund und ich das Semester über größtenteils gemeinsam bei seinen Eltern verbringen würden, während wir sonst eine Wochenendbeziehung führen, da er gute 100 Kilometer von mir entfernt wohnt und studiert. Aber sein Semester sollte nun ebenfalls online stattfinden.
Bevor das Semester beginnen sollte, galt es einige Vorbereitungen zu treffen: Kopfhörer, eine bessere Internetverbindung im ganzen Haus, ein großer Schreibtisch mit zwei Schreibtischstühlen für den gemeinsamen Lernplatz, Webcams – solche Dinge mussten vorhanden sein. Und dann ging es los, das Online-Semester. Und damit auch die ewig andauernde Diskussion, ob es nun besser oder schlechter sei als zuvor.Zunächst lief es sehr gut. Meine Vorlesungen sollten live (über Zoom oder Medialink) stattfinden, jedoch aufgezeichnet und zumindest für einen kurzen Zeitraum zur Verfügung gestellt werden. Ich war sehr motiviert, arbeitete mit, machte Notizen und bearbeitete ausstehende Aufgaben eigenständig nach der Vorlesung, ging Skripte und Übungen durch. In einem Modul, das ich aus dem vorherigen Jahr wiederholen musste, verbesserten sich die Lernbedingungen um ein Vielfaches: Wo vorher in den Hörsaalübungen hastig und viel zu schnell schlecht lesbare Tafelanschriebe (meist fehlerhaft) abgeschrieben wurden, ohne dass Zeit blieb, um Fragen zu stellen, wurden nun ausführlich ausgearbeitete Musterlösungen zur Verfügung gestellt und online Foren gebildet, in denen man Fragen stellen konnte, die gesammelt und in der anschließenden Woche gebündelt beantwortet wurden. Gerade bei diesem Modul war ich sehr erleichtert über das neue Konzept.Dann gingen jedoch Gruppenübungen in einem anderen Modul los. Die Aufgaben sollten mithilfe von OneNote bearbeitet werden und vom Tutor und den Gruppenmitgliedern eingesehen werden können. Ich kam trotz Hilfe nicht mit diesem Tool zurecht. Zudem widerstrebte es mir, in einer Zoom- Session mit anderen, fremden Gruppenmitgliedern zusammengesteckt zu werden, damit wir gemeinsam Aufgaben rechnen sollten. Bei Übungen hat es sich für mich bewährt, diese im Voraus allein oder mit Kommilitonen zu bearbeiten, um in der Übung dem Tutor die Fragen zu stellen, die noch offen geblieben waren. Das war nun nicht mehr ohne Weiteres möglich. Auch wenn die Übungen eine tolle Möglichkeit boten, mit anderen Studierenden in Kontakt zu kommen und diese kennenzulernen, mochte ich das Konzept nicht und entschied, die Aufgaben im Alleingang zu bearbeiten – die Lösungen wurden ja wöchentlich hochgeladen. Das erschwerte mir das Lernen für dieses Modul um einiges. Dennoch konnte ich mich nicht überwinden, die Übungen über Zoom wahrzunehmen. Die Erfahrung mit dieser Übung dämpfte meine Freude über das Online-Semester um einiges. Kannte ich doch sonst kaum jemanden, der das Modul ebenfalls machte und den ich bei Schwierigkeiten hätte fragen können. Ich wurde in dem Modul immer weiter abgehängt – größtenteils, weil ich ein sehr zeitaufwändiges Konstruktionsprojekt zu bearbeiten hatte, aber zu einem nicht unerheblichen Teil auch wegen der mangelnden Kommunikation mit Kommilitonen, die die gleichen oder ähnliche Probleme hatten wie ich.
Und da war ja auch noch eine Klausur, die nachgeholt werden musste. Wenige Wochen nach Semesterbeginn kam die Nachricht, dass die abgesagten Klausuren aus dem März in der ersten Juniwoche nachgeholt würden. Von da an galt es, sich auch für Klausuren mitten im Semester vorzubereiten. Zum Glück hatte ich nur eine davon. Mehr hätte ich sicher nicht geschafft. Ich vertiefte mich ganz und gar in mein Konstruktionsprojekt und in die Klausurvorbereitung. Ich verdrängte, dass ich am Ende des Semesters noch andere Klausuren schreiben würde und dass ich in diesen Modulen wichtige Vorlesungen hatte. Meine gesamte Zeit und Energie steckte ich in das Konstruktionsprojekt, an dem ich im Jahr zuvor gescheitert war und in die Klausur im Juni, die ich mit so viel Zeit zur Vorbereitung in jedem Fall gut bestehen wollte. Mit der Zeit rückte das Bewusstsein, dass man Vorlesungen, Hausaufgaben und Übungen hatte, in den Hintergrund. Nach und nach wurden Vorlesungen und Sprechstunden vergessen und verpasst. Es fehlten die Erinnerungen von Kommilitonen, dass hier und dort noch Veranstaltungen ausstehen. Es fehlten die Fragen, wo man denn gewesen sei, wenn man nicht wie sonst zu einer Vorlesung oder Übung erschienen ist. Und es fehlten eben diese Mitstudierenden, die einem ihre Aufzeichnungen zur Verfügung stellten, falls man doch mal etwas verpasst hatte.An dieser Stelle soll nicht der Eindruck entstehen, dass meine Mitarbeit und mein Engagement in den vorherigen 5 Semestern nicht nach ein paar Wochen nachgelassen hätten. Das ist definitiv nicht der Fall: In jedem Semester stellte sich bisher nach wenigen Wochen eine gewisse Nachlässigkeit ein. Die uninteressanten Vorlesungen wurden gerne mal ausgelassen und die Übungsaufgaben, die teilweise liegen geblieben sind, wurden auch nicht nachgeholt – natürlich nur solange, wie die Klausur in weiter Ferne lag. Und an diesem Punkt kommt es zu einem auffälligen Unterschied zwischen „normalem“ und „online“- Semester. Die Klausuren sind mittlerweile in Sichtweite und viele Modulinhalte wollen noch bearbeitet und gelernt werden. Doch statt, wie üblich, in Panik zu verfallen, hektisch Kommilitonen um Hilfe zu bitten und schlaflose Nächte damit zu verbringen, mich zu fragen, wie ich das alles schaffen soll, bin ich in diesem Semester sehr zuversichtlich. Mir stehen sämtliche Unterlagen zur Verfügung. Es sind zu vielen Übungen ausführliche Lösungen vorhanden. In den Foren stehen gut geordnet und meist recht übersichtlich ein Haufen Fragen, von denen ich sicher bin, dass ich mir diese bei der Klausurvorbereitung ebenfalls stellen werde – beantwortet von wissenschaftlichen Mitarbeitern, Tutoren und den Professoren höchst selbst. Zudem werden Fragen, die man selbst in den Foren stellt, meist innerhalb 24 Stunden beantwortet – auch nach der Vorlesungszeit. Wie könnten die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Klausurvorbereitung besser sein?
Ein weiterer Vorteil am Onlinesemester, den ich hier hervorheben möchte, ist der Effekt, dass man dazu neigt, eher mehr als weniger für die Uni zu arbeiten. In einem „normalen“ Semester verwendet man Zeit dafür, sich auf den Weg in die Uni zu machen. Man bereitet sich vor, packt vielleicht etwas zu essen ein, fährt oder läuft zur Uni, wartet auf Professoren, hört sich die Vorlesung(en) an und geht wieder nach Hause. Dort angekommen, macht man zunächst einmal Pause. Vielleicht geht man zum Sport, zum Einkaufen oder besucht jemanden. Erst danach widmet man sich dem Gedanken, ob etwas für die Uni zu tun ist. Ganz nach dem Motto: ich habe heute ja schon etwas getan. Man war ja immerhin dort und hat den Professoren mehr oder weniger seine Aufmerksamkeit gewidmet. Das alles fällt in diesem „Corona-Semester“ weg. Wenn die Vorlesung kurz nach dem Aufstehen noch im Schlafanzug mit einer Tasse Kaffee in der Hand verfolgt wird, um es überspitzt darzustellen, stellt sich nicht das Gefühl ein, bereits gearbeitet zu haben. Daher zeigt sich eine höhere Bereitschaft, Vorlesungen vor- und nachzubereiten und sich im Anschluss an die Vorlesungen noch mit den behandelten Themen auseinanderzusetzen. Dazu trägt sicherlich auch die Tatsache bei, dass sich momentan weniger Gelegenheiten bieten, sich von der Uni ablenken zu lassen. Es wird in dieser Zeit generell weniger unternommen und weniger Zeit außerhalb von Zuhause und mit anderen Leuten verbracht. Es stellt sich ab und an ein gewisser Grad an Langeweile ein, der dazu beitragen könnte, zum Lernen zu motivieren.Doch jede Motivation bringt nichts, wenn man schlicht daran gehindert wird, zu lernen und zu arbeiten. Ich habe gleich zu Beginn der Corona-Krise die Möglichkeit genutzt, außerhalb meines Studierendenwohnheims unterzukommen. Dort brach regelmäßig die Internetverbindung zusammen und stunden- oder gar tagelang bestand keine Möglichkeit, das WLAN zu nutzen. Das ist selbstverständlich nicht besser geworden, seit knapp hundert Studierende ihre Zeit größtenteils dort verbringen, da Universitäten und Bibliotheken geschlossen haben und Freizeitaktivitäten auf ein Minimum reduziert werden sollen. Und dann geht es nicht darum, abends keinen Film streamen zu können, sondern darum, tagsüber keine Vorlesungen verfolgen zu können. Seitens der Verwaltung wurde uns Studierenden empfohlen, Vorlesungen, etc. nicht tagsüber zu streamen, sondern doch lieber abends oder sehr früh morgens. Ungünstig für die Studierenden, deren Vorlesungen nicht aufgezeichnet und im Nachhinein zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich zum nervenaufreibenden Vorhandensein oder eben Nichtvorhandensein einer stabilen Internetverbindung, kommt auch die Schwierigkeit hinzu, in einem kleinen Zimmer (10 bis 15 Quadratmeter) auf einem Flur mit durchschnittlich 8 Bewohnern die Ruhe und den Platz zu finden, sich voll und ganz auf seine Unterlagen konzentrieren und effektiv lernen zu können. Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte, dem entweichen zu können.Um meine Erfahrungen und Gedanken zu diesem Thema zusammenzufassen, kann ich nur sagen, dass so ein Online-Semester in Zeiten von Corona durchaus funktionieren kann und durchaus auch Vorteile mit sich bringen kann – wenn die Voraussetzungen stimmen. Ich habe in diesem Semester so viel für die Uni gemacht wie in keinem Semester zuvor. Das liegt sicherlich an den Projekten und Modulen, die nun mal sehr anspruchsvoll und zeitaufwändig sind. Jedoch hätte ich in einem normalen Semester mit Präsenzvorlesungen garantiert weniger gemacht und im Hinblick auf die Klausuren einen höheren Druck verspürt. Das Online-Semester funktioniert für mich größtenteils gut – bis jetzt. Aber auch nur, weil gewisse Voraussetzungen erfüllt sind.Es braucht für ein stressfreies Online-Lernen einfach die Gewissheit einer störungsfreien Internetverbindung – obwohl zwei Studierende teilweise zeitgleich Vorlesungen streamen und parallel dazu jemand im Haus im Homeoffice arbeitet. Es braucht auch genügend Platz, sich ausbreiten zu können mit seinen Unterlagen und dennoch auf Abstand dazu gehen zu können. Zumindest ich muss ab und an die Tür zumachen können und den Rest des Tages abseits des Schreibtisches verbringen können – ohne Laptop, Monitor und Berge an Zetteln sehen zu müssen. Aber gerade das ist in einer Stadt wie Hamburg, in der Studierende gerne die kleinsten und günstigsten Zimmer mieten, oft unmöglich.
Und dennoch, ich finde es sehr spannend, dieses Semester zu erleben – das doch ganz anders ist als alle zuvor. Ich hatte endlich einmal echte Semesterferien, ohne Lernen und anstehende Klausuren. Ich freue mich immer noch über die Zeit, die ich sonst in der S-Bahn verbringen würde und so ganz wundervoll nutzen kann. Ich genieße die Vorlesungen, die ich im Garten in der Sonne anschauen kann und freue mich über die Musterlösungen von Übungsaufgaben, die sonst so schwer zu bekommen sind. Aber ob das schöner ist als der persönliche Kontakt mit Kommilitonen? Das Grillen auf dem Campus im Sommer? Das Beisammensitzen vor dem Hörsaal? Der gemeinsame Austausch im Hörsaal?
Kilian Makswit gibt in seinem Beitrag Einblicke in die persönlichen Semestervorbereitungen und hebt neben positiven Auswirkungen auf das Lernen vor allem die Herausforderung Bachelorarbeit hervor, die in Zeiten der Pandemie nicht uneingeschränkt auf die gewohnte Hochschulinfrastruktur bauen kann:
Onlinelehre und Onlinelernen – Eine erste Bilanz nach zwei Wochen
von Kilian Makswit
In meinem Studienalltag begannen mich die Maßnahmen – bedingt durch das Corona-Virus – mit der Rundmail der Entscheidungen des Krisenstabes der TUHH ab dem 13. März 2020 zu treffen. Zunächst einmal waren die Maßnahmen für mich gar nicht so schlecht, schließlich bedeuteten letztere, dass ich statt knappen zwei Wochen fünf Wochen frei haben würde. Dieser kurzfristig eher guten Nachricht stand jedoch entgegen, dass ich auch eine Klausur nicht schreiben konnte. Kurzgefasst investierte ich die fünf Wochen, um ein eigenes Projekt massiv voranzutreiben: den Bau einer CNC-Fräse. Tatsächlich war es ein gutes Gefühl auch einmal ein paar „Freizeit-Baustellen“ ein Stück weit zu schließen, woraufhin ich relativ entspannt in das neue Semester starten konnte.
Prinzipiell habe ich einen guten Start in das Online-Semester gefunden. Vorbereitet habe ich mich hauptsächlich durch ein aufgeräumtes Zimmer, schließlich musste sich dieses in den zahlreichen folgenden Videokonferenzen zeigen lassen. Die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung der Online-Lehre hatte ich glücklicherweise schon. Zunächst einmal erstellte ich mir einen Wochenplan, um mir trotz fehlender Veranstaltungen und wenigen zeitlichen Referenzen einen strukturierten Alltag zu schaffen. Dies hat bislang gut funktioniert. Da es sich jedoch um die ersten beiden Semesterwochen handelte, musste an der einen oder anderen Stelle noch einmal eine Umstrukturierung stattfinden.
Die Veranstaltungen, die ich dieses Semester belege, sind online gut aufbereitet. Meistens handelt es sich einfach um aufgezeichnete Vorlesungen, teils wurden auch eigene Wikis mit den Inhalten angelegt. Zur Einführung gab es teils sogar Live-Streams. Es gibt jeweils wöchentliche Updates, welche Aufgaben zu bearbeiten sind bzw. wo man inhaltlich stehen sollte. Besonders spannend fand ich den Einsatz von Programmen, um Videokonferenzen abzuhalten, besonders wenn diese in einem größeren Rahmen stattfanden.
Das Lernen von Zuhause aus habe ich als sehr produktiv empfunden. Zum einen fallen die Fahrwege weg, zum anderen erfährt man deutlich weniger Ablenkung als auf dem Uni-Campus. Dazu kommt, dass viele sonst angesetzte kleine Pausenzeiten, wie die zwischen den einzelnen Vorlesungen, einfach wegfallen. Die Online-Vorlesung bietet weiterhin den Vorteil, dass man sich die Vorlesung zeitlich passend zur Nachbereitung anschauen kann. Auch hat man die Möglichkeit zwischendurch einmal zu pausieren oder bestimmte Abschnitte zu beschleunigen bzw. gezielt zu überspringen. Auch dies bot das Potential viel Zeit zu sparen und ein bisschen effektiver zu arbeiten. Dennoch bleiben auch ein paar Nachteile zu nennen. So ist es schade, dass in meinem Fall dieses Semester keine Gruppenübungen mehr stattfinden. Wir erhalten lediglich die Übungsblätter und sind aufgefordert diese wöchentlich zu bearbeiten. Hierbei entfällt natürlich die Möglichkeit spontane Rückfragen zu stellen oder sich einmal mit dem Sitznachbarn abzusprechen. Diese Option entfällt auch in den Vorlesungen.
Leider hat dieses Semester jedoch nicht nur das Lernen eine wichtige Bedeutung für mein Studium, auch starte ich aktuell mit dem Schreiben meiner Bachelorarbeit. Die aktuellen Einschränkungen lassen leider keine Forschung am Institut zu, sodass ich den ursprünglich geplanten Versuchsaufbau nicht realisieren kann. Dies stellt mich vor die große Herausforderung trotz der eingeschränkten Forschungsmöglichkeiten wissenschaftliche Ergebnisse in meine Arbeit mit einfließen zu lassen. Dies ist mit der größte Nachteil, den das Online-Studium dieses Semester für mich bringt.
Neben dem veränderten Lernen an sich, haben mir in den letzten zwei Wochen besonders die sozialen Kontakte gefehlt. Dies war auf der einen Seite wie oben bereits geschrieben gut, da hiermit weniger Ablenkungsmöglichkeiten bestanden. Auf der anderen Seite sind gerade dies die Begegnungen, welche den Studienalltag ein wenig auflockern. Vor diesem Hintergrund haben mir besonders die Videokonferenzen gut gefallen, da man hierdurch einmal wieder ein paar Gesichter sehen konnte. Ansonsten habe ich das Glück in einer Wohngemeinschaft zu wohnen, sodass ich zumindest die Möglichkeit hatte mich mit ein paar Kommilitonen austauchen bzw. etwas unternehmen zu können.
Tatsächlich fehlten mir irgendwann auch ein bisschen die Fahrwege bzw. die Strecken, welche man im regulären Alltag zurücklegt. So boten diese immer eine gute Möglichkeit, mal andere Dinge als die eigenen vier Wände zu sehen bzw. einfach einmal an die frische Luft zu kommen. Um hier ein wenig Abhilfe zu schaffen, habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, täglich eine kleine Runde spazieren zu gehen. Auch das Essen in der Mensa habe ich immer als sehr praktisch empfunden, so musste man in der Woche nicht selber Kochen. Möglicherweise ist dies aber auch nicht nur schlecht, so bot sich hier für mich einmal die Möglichkeit selbst ein wenig Kochen zu üben.
Zusammenfassend werte ich die letzten beiden Wochen (wahrscheinlich auch noch die folgende Zeit) als eine interessante Erfahrung. So konnte man einen guten Eindruck bekommen, wie ein Fernstudium so aussehen könnte. Auch wurde man angehalten den eigenen Alltag noch selbstständiger zu planen bzw. zu gestalten. Mein eigenes Fazit der letzten beiden Wochen ist jedoch, dass ich ein Präsenzstudium dem Fernstudium vorziehe. Zwar fördert das Fernstudium tendenziell das produktivere Lernen, jedoch bleiben die so wertvollen sozialen Kontakte und das Herauskommen aus der eigenen Wohnung aus, wodurch wiederum sehr viel verloren geht.
Welche Erfahrungen habt ihr im vergangenen Semester als Lernende oder Lehrende gesammelt? Was sind eure Dos and Don’ts für das kommende Wintersemester? Wir freuen uns auf den Austausch mit euch 🙂
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