Füller auf Papier

Schreiben mit Zettlr – Open-Source-Markdowneditor für Texte aller Art

In einem unserer letzten tub.torials-Beiträge ging es um das Schreiben mit Markdown. An unterschiedlichen Stellen haben wir auf den Markdown-Editor Zettlr hingewiesen, dem wir uns nun in diesem Beitrag widmen. Zettlr ist eine Open-Source-Anwendung, die das Schreiben von Markdown-Texten ermöglicht und dabei einige hilfreiche Features wie den Im- und Export von Dateien sowie die Verknüpfung mit eigenen Literaturquellen ermöglicht. Bei der Vorstellung handelt es sich um eine bearbeitete Fassung unserer Kalendertürchen 05 und 15 aus dem Open-Access-Adventskalender.

Zettlr – Vorstellung und Installation

In diesem Beitrag werden wir unter anderem zeigen:

  • Was genau ist eigentlich Zettlr?;
  • Zu installierende Komponenten;
  • Einstellungen und Funktionen von Zettlr;
  • Import und Export von Dateien;
  • Literaturquelleneinbindung.

Was genau ist Zettlr?

Markdown-Editoren und andere Schreibumgebungen gibt es einige. Als Beispiele seien an dieser Stelle WriteMD (TU-Instanz von HackmD, die bei uns vor allem als kollaborative Online-Schreibumgebung und zur Erstellung von Lernskripten und Protokollen genutzt wird), Typora und VSCodium genannt. Das „Problem“ oder eher die Herausforderung für potentielle Nutzer:Innen ist bei vielen Editoren die oftmals vor allem für Coder:innen gestaltete Oberfläche. Diese kann gerade für Interessierte ohne Code-Affinität oder mit jahrelangen Schreiberfahrungen in gängigen What-You-See-Is-What-You-Get-Schreibanwendungen (WYSIWYG) wenig einladend bis erschreckend wirken.

Und hier kommt Zettlr ins Spiel. Der Markdown-Editor kann potentiell Word- und andere Schreibanwendungen ersetzen und richtet sich mit seiner aufgeräumten grafischen Oberfläche an Nicht-Coder:innen (und natürlich auch Coder:innen). Vor allem beim Verfassen wissenschaftlicher Texte mit Literaturquellen sticht Zettlr heraus.

Zettlr Oberfläche

Zettlr fokussiert sich mit seiner aufgeräumten Oberfläche auf das Schreiben und Lesen.

Erschaffen wurde die Open-Source-Anwendung von Hendrik Erz, der es nach viel Frust mit gängigen Wordprozessoren selbst in die Hand nahm, eine Schreibumgebung zu schaffen, die sich vor allen auf das Schreiben und Lesen fokussiert. Dabei bietet sie einen Mittelweg aus sehr techniklastigen und benutzerfreundlichen Anwendungen, unter anderem:

  • Schreibstatistiken;
  • Einstellungsoptionen zur Zielsetzung der Wortanzahl;
  • eine Volltextsuche;
  • eine Markdown-Vorschau;
  • die Möglichkeit für den Import und die Zitation von Quellen aus einer eigenen Zotero-Datenbank;
  • Export der Markdowndatei auf Mausklick in Formate wie HTML, PDF, ODT oder DOC.

Zettlr funktioniert zudem unabhängig vom Betriebsystem. Ein großer Vorteil, denn so können sowohl Windows-, als auch Mac- und Linux-Nutzer:innen Zettlr verwenden. Selbst für den Einsatz des Zettelkastensystems, einem Hilfsmittel zum Festhalten von Ideen und Gedanken, ist die Anwendung (inklusive einer umfassenden Dokumentation) ausgestattet. Einen Einblick in diese Funktion gibt auch der tub.torials-Gastbeitrag Geschichte und Gegenwart meiner Notizen von Benjamin Roers. Weitere Funktionen von Zettlr lassen sich hier einsehen.

Zettlr wird von uns in verschiedenen Kontexten im Arbeitsalltag genutzt. Als Beispiel seien die Dokumention von Arbeitsabläufen, das Verfassen von Tagungsberichten und generell Fließtexte mit Literaturverweisen genannt.
Im Rahmen unseres Projektes „Modernes Publizieren“ nutzen wir Zettlr unter anderem zudem für die Aufbereitung von wissenschaftlichen Beiträgen, die wir für die Neuveröffentlichung des Journals kommunikation@gesellschaft aus dem DOCX-Format in Markdown-Dateien konvertiert haben, um so die Grundlage für offenes Publizieren und Open Science zu schaffen.

Zettlr installieren

Die einfachste Möglichkeit zur Zettlr-Installation ist die Nutzung des Installationspakets, das auf der offiziellen Zettlr-Webseite angeboten wird.

Nach Anstoßen des Installationsvorgangs muss nur noch den Bildschirmanweisungen gefolgt werden. Die Installationsbeschreibung für andere Betriebssysteme wie Windows und Linux kann in der offiziellen Dokumentation von Zettlr eingesehen werden.

Zettlr Installation

In der offiziellen Installationsdokumentation können die unterschiedlichen Installationsmöglichkeiten eingesehen werden.

Wenn wir Texte ohne Verknüpfung zu Literaturquellen (bspw. Zotero-Datenbanken) schreiben wollen, so sind nach der Installation von Zettlr keine weiteren Schritte nötig. Für den Dateiexport und die Verknüfung und Nutzung unserer Literaturquellen sind jedoch noch zwei weitere Anwendungen zu installieren: Pandoc und LaTeX.

Pandoc installieren und einrichten

Pandoc ist ein Multidokumentenparser, der die Konvertierung in andere Formate ermöglicht. Pandoc selbst wird in der Regel auf Kommandozeilenebene verwendet. Dank der Exportfunktion von Zettlr bekommen wir davon nach der Installation jedoch nichts mit: Dateiim- und -exporte werden auf Mausklick angestoßen. Pandoc ist quelloffen und kann über die Installationshilfe von Zettlr installiert werden. Dazu gehen wir auf den Menüpunkt „Hilfe“ und wählen „Pandoc installieren“.

Pandoc installieren

Damit Zettlr Dateikonvertierungen durchführen kann ist die Pandoc-Installation erforderlich.

Wir werden zu Github weitergeleitet – einem netzbasierten Dienst zur Versionsverwaltung von Software – wo wir die aktuelle Pandoc-Version für unser benötigtes Betriebssystem runterladen können.

Zur Überprüfung klicken wir in Zettlr auf das Icon mit dem Blatt und dem Pfeil („Exportieren“) am oberen Bildschirmrand und wählen ein Export-Format aus, das wir mit einem weiteren Klick generieren:

Export

Der Export wird nun per Klick ausführbar.

Weiter geht es mit der Installation von LaTeX.

LaTeX installieren

LaTeX ist ein Textsatzsystem, das Anwender:innen durch Einsatz von Code viele Strukturierungsmöglichkeiten und Unterstützung bei der Leistungsverwaltung bietet. Wenn wir also nicht nur einfachste Texte exportieren, sondern zum Beispiel auch PDF-Dateien erzeugen wollen, so brauchen wir LaTeX. Wie bei Pandoc ist auch LaTeX quelloffene Software. Für die Installation gehen wir – wie bei Pandoc – auf den Menüpunkt „Hilfe“ am oberen Bildschirmrand und wählen hier „LaTeX installieren“ aus. Wir werden auf die Seite des LaTeX-Projektes weitergeleitet, wo wir uns für unsere Systemsoftware entscheiden. Weitere Informationen zur Installation von LaTeX gibt es auch in der offiziellen Dokumentation von Zettlr.

Haben wir die Installation von LaTeX durchgeführt, so ist fortan auch die Generierung von PDF-Dateien möglich.

PDF Export

Auch der PDF-Export gelingt mit einem Klick.

 

Einstellungen und Nutzung

Nachdem wir Zettlr kennengelernt haben und einen Blick auf die Installation geworfen haben, wollen wir nun einige Einstellungen und die Nutzung selbst betrachten. Die folgenden Screenshots entsprechen mit Ausnahme der „Beispielhaften Darstellung der Zitation anhand des Beitrages“ (Zettlr 1.8.3, macOS) der Zettlr-Version 1.8.2 (macOS). Die bis zu dieser Stelle verwendeten Screenshots entstammen der Version 1.8 von Zettlr.

Einstellungen

Das Einstellungsmenü von Zettlr verbirgt sich oben links hinter dem Zahnrad-Symbol:

Einstellungsmenü

Das Einstellungsmenü in Zettlr.

Für formale Optionen werfen wir hier zunächst einen Blick in den Reiter „Allgemein“:

Allgemein

  • Dunkles Thema;
  • Zusätzliche Dateiinformationen (Informationen wie Datum werden im linken Frame bei der Dateiablage direkt sichtbar);
  • Dateimanager-Ansicht (linker Frame, persönlicher Favorit ist hier die erweiterte Ansicht, die eine Extra-Spalte für die Unterordner der jeweiligen Oberordner öffnet, Alternative für mehr Schreibplatz in der Breite ist die Ansicht „kombiniert“).
Einstellungen

Allgemeine Einstellungsmöglichkeiten in Zettlr.

Editor

Im Tab Editor haben wir keine weiteren Änderungen vorgenommen.

Export
Im Tab Export gibt es für uns zwei wichtige Einstellungsmöglichkeiten:

  • Zitationsdatenbank;
  • CSL-Styledatei.
Verknüpfung CSL

Verknüpfung von Zitationsdatenbank und CSL-Datei.

Unter Zitationsdatenbank ist unsere Datei mit Literaturinformationen zu verstehen, die wir mit dem jeweils gerade geöffneten Dokument verknüpfen wollen. Erstellen wir also mit Zotero eine Datenbank und speichern diese als bib-Datei ab, so kann diese an dieser Stelle mit unserem Dokument verknüpft werden. Haben wir dies getan, so lassen sich die jeweiligen Stellen in einem Text mit der dazugehörigen Literaturinformation verbinden.

Mit der CSL-Styledatei sagen wir Zettlr, nach welchem Zitationsstil Zitationen in unserem Text angezeigt werden sollen. CSL-Dateien gibt es unter anderem auf der Webseite Citation Style Language beziehungsweise über das dort verlinkte CSL Style Repository. Wir haben uns für die Aufbereitung der Artikel von kommunikation@gesellschaft so beispielsweise für den Zitationsstil der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) entschieden. Die Datei wird nach dem Download an einem Ort unserer Wahl auf dem Rechner abgelegt und an dieser Stelle mit Zettlr verknüpft. Beispielhaft machen wir dies in der folgenden Darstellung mit dem oben erwähnten Zitationsstil:

Einbindung des Zitationsstils der DGPs.

Einbindung des Zitationsstils der DGPs.

Nachdem wir unser Dokument im Beispiel sowohl mit unserer Literaturdatenbank als auch mit einem Zitationsstil über die CSL-Datei verknüpft haben, kann durch Verwendung von Klammern und @-Zeichen ein direkter Zugriff auf die Literaturdatenbank erfolgen:

Zitation

Haben wir eine Stelle im Text, an der eine Litertaurquelle eingebunden werden soll, so leiten wir diese Zitation mit einem @-Zeichen ein.

In einem exportierten Dokument – zum Beispiel einer PDF-Datei – wird die Zitation den Informationen des ausgewählten Zitationsstiles entsprechend abgebildet:

Export PDF

Beispielhafte Darstellung der Zitation anhand des Beitrages.

Das war es. Nun können wir unsere wissenschaftlichen Texte mit dem Markdown-Editor Zettlr verfassen und in die jeweils benötigten Formate exportieren.

Zitationsansetzung
Es gibt natürlich zahlreiche Möglichkeiten eine Zitation anzusetzen. Soll – wie oftmals üblich – mit mehr Informationen als Autor:innen und Jahr zitiert werden, so muss der Zitationsschlüssel wie oben abgebildet in eckige Klammern gesetzt werden, während mit weiteren Informationen vor und nach diesem Schlüssel eine Erweiterung der Literaturangaben – beispielsweise um Seitenzahlen – erfolgt:

  •  [@Musterfrau2020, 3-5]

Auch mehrere Literaturquellen können angesetzt werden:

  •  [@Musterfrau2020, 3-5; @Mustermann, 8-9]

Weitere Möglichkeiten zur Ansetzung der Zitation können in der Dokumentation von Zettlr unter dem Punkt Zitieren mit Zettlr eingesehen werden.

Kurzbetrachtung der Oberfläche von Zettlr

Wir haben im vergangenen Beitrag u.a. diese Features von Zettlr aufgeführt und wollen diese nun kurz im Rahmen der Oberfläche aufzeigen:

Promodoro-Timer
Die Promodoro-Technik ist eine Methode des Zeitmanagements, bei der die vorhandene Zeit in feste Arbeits- und Pausenzeiten eingeteilt wird. Die Arbeit in Intervallen soll dem Fokus und der Produktivität der Schreibenden dienen.

Der Promodoro-Timer in Zettlr kann individuell genutzt werden.

 

Schreibstatistiken
Zettlr bietet Schreibenden auch eine Auswahl an Schreibstatistiken. Neben Wortzählung lassen sich hier über erweiterte Optionen auch Vergleiche zu anderen Schreibzeiträumen ziehen.

Schreibstatistiken in Zettlr.

Schreibstatistiken in Zettlr.

Dateiinformationen anzeigen
Neben generellen Schreibstatistiken bietet Zettlr am oberen rechten Bildschirmrand Dateiinformationen zum aktuell geöffneten Schreibprojekt.

Dateiinformationen in Zettlr

Für jedes Dokument stehen Dateiinformationen zur Verfügung.

 

Lesbarkeitsmodus
Der Lesbarkeitsmodus von Zettlr liefert – farblich kodierte – Einschätzungen zur Lesbarkeit des vorliegenden Textes. Somit kann bei Bedarf eine Unterstützung zur Verbesserung der Lesbarkeit in Anspruch genommen werden.

Lesbarkeitsmodus Zettlr

Farbliche Hervorhebungen im Lesbarkeitsmodus.

 

Zettelkastenfunktion
Der Zettelkasten ist ein bekannter Ansatz aus dem Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens. Die – vom Soziologen Niklas Luhman entwickelte – Methode setzt auf die Verknüpfung kürzerer und umfassenderer Notizen. Wie zu Beitragsbeginn erwähnt gibt es Eindrücke dazu in diesem Beitrag aus der Beitragsreihe #Notizschreibwochen2020.

Sollten noch Fragen zu diesen und weiteren Funktionen von Zettlr offen bleiben, so empfiehlt sich natürlich auch ein Blick in die umfassende Dokumentation.

Dateiimport mit Zettlr

Neben dem oben vorgestellten Dateiexport lassen sich mit Zettlr natürlich auch Dateiimporte realisieren. Im Projekt Modernes Publizieren haben wir so unter anderem für die Neuveröffentlichung des Journals kommunikation@gesellschaft ältere Beiträge, die im DOCX-Format vorlagen, in Markdown konvertiert, um diese für die Weiterverarbeitung hin zu einer Veröffentlichung nach Standards einer offenen Wissenschaft aufzubereiten. Anfangs wurden diese Importe noch direkt über Pandoc mittels Kommandozeilen umgesetzt, im weiteren Projektverlauf erwies sich die Konvertierung mit Zettlr jedoch als ebenso sauber und zeiteffizienter. Nachdem LaTeX und Pandoc installiert wurden, ist dies über Zettlr nämlich mit wenigen Mausklicks umsetzbar.

Dazu gehen wir in Zettlr am oberen Bildschirmrand auf den Punkt „Datei“ und wählen „Dateien importieren“.

Dateiimport Zettlr

Der Dateiimport in Zettlr funktioniert auf Klick ohne Kommandozeile.

Nun muss nur noch die entsprechende Datei ausgewählt und die Auswahl bestätigt werden. Innerhalb weniger Sekunden generiert Zettlr bereits eine – natürlich auch abhängig von der Komplexität der Urquelle – sehr sauber konvertierte Markdowndatei.

Bei Interesse und Neugier an der Nutzung von Zettlr bietet sich als möglicher Test auch ein – bereits in proprietären Schreibumgebungen wie Word begonnendes – Schreibprojekt an, da es mit wenigen Mausklicks importiert werden kann.

Fazit

Zettlr ist dank einiger Features, die für den Schreibprozess hilfreich sind eine gute Möglichkeit, ohne zu viele Optionen, die die Anwendung ausbremsen oder unübersichtlich werden lassen, in Markdown Texte unterschiedlicher Art zu verfassen und bei Bedarf auf Knopfdruck in zahlreiche Formate zu exportieren. Die Installation ist verhältnismäßig einfach durchzuführen, auch wenn es nach der Installation des Basisprogrammes für bestimmte Funktionen zusätzlicher Installationen wie Pandoc und LaTeX bedarf.

Wie vielleicht bereits in diesem Beitrag deutlich wurde, bringt das Schreiben in Markdown viele Vorteile mit sich, so dass sich unserer Meinung nach auch nach jahrelanger Schreibarbeit mit Word, Pages und anderen proprietären Schreibanwendungen zumindest das Ausprobieren neuer Schreibmöglichkeiten, -anwendungen und -kulturen wie beispielsweise mit Zettlr lohnt.

Was haltet ihr von Zettlr? Habt ihr diesen oder andere Markdowneditoren bereits ausprobiert oder plant es? Teil es uns gerne in den Kommentaren mit.

 

CC BY 4.0
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind – sofern nicht anders angegeben – lizenziert unter CC BY 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: Schreiben mit Zettlr – Open-Source-Markdowneditor für Texte aller Art“ von Florian Hagen und Axel Dürkop, Lizenz: CC BY 4.0. Beitragsbild „Füller“ von Florian Hagen (CC BY 4.0.). Der Beitrag steht als Markdown-, DOCX- und PDF-Datei zur Verfügung.
Wand mit Notiztipps

Geschichte und Gegenwart meiner Notizen (Gastbeitrag von Benjamin Roers) #Notizschreibwochen2020

Luft nach oben

Wenn ich mich richtig erinnere, dann habe ich mir den größten Teil meines Studiums keine großartigen Gedanken darüber gemacht, wie ich Informationen nachhaltig, d. h. strukturiert, wiederauffind- und verwertbar dokumentiere. Nur selten habe ich Exzerpte zu einzelnen Texten angefertigt, um sie dann am Semesterende doch bloß irgendwo abzuheften.

Für Hausarbeiten sammelte ich meine Literaturnotizen zunächst in einem einzelnen Dokument. Wenn ich dann zu schreiben begonnen hatte, sortierte und kopierte ich mir relevante Angaben einfach dort in meine Textdatei, wo ich sie brauchte. Welche absurden Relationen das annehmen konnte, war mir gar nicht mehr bewusst, bis ich mich an einen Tweet von mir erinnerte (siehe Abb. 1).

Tweet zu Notizen einer Hausarbeit.

Abb. 1: Tweet zu Notizen einer Hausarbeit.

In Sachen Schreibpragmatik war also noch Luft nach oben.

Keine Lust mehr, alles manuell zu tippen

Zumindest hatte ich mich zu dieser Zeit schon mit Literaturverwaltungssoftware beschäftigt. Ich hatte keine Lust mehr, meine Literaturrecherchen in Word-Dateien zu dokumentieren, Fußnoten und Verzeichnisse manuell zu tippen und am Ende jeder Hausarbeit mindestens einen halben Tag für die formale Kontrolle einzuplanen. Meine Idee war: Wenn ich mir einmal die Zeit nehme, um mich konzentriert in eine Literaturverwaltungssoftware einzuarbeiten, werden die kommenden Schreibprojekte sehr viel einfacher sein. Ich entschied mich damals konkret für die Software Zotero, weil es eine Freie und Open Source Software ist und mir die Idee dahinter sehr gefiel (tut sie heute noch).1

Mein Plan, durch die Nutzung eines Literaturverwaltungsprogramms komfortabler arbeiten zu können, ging jedenfalls auf. Mit Zotero war ich schnell vertraut und zum Schluss hatte ich mir in ein paar Tagen (und Nächten) im CSL-Editor auch noch einen eigenen Zitierstil zurecht gebaut. Für mich als Laien war das mitunter nervenaufreibend, weil furchtbar kompliziert. Aber es hat sich gelohnt: Meinen damals individualisierten Zitierstil benutzen ich und ein paar Kommiliton:innen heute noch.

Von da an war Zitieren eigentlich kein großer Aufwand mehr. In Word hatte ich mir entsprechende Tastenkürzel eingerichtet mit denen sich Fußnoten mit ein paar Handgriffen setzen ließen. Abschließend dann noch mit einem Click ein Literaturverzeichnis erstellen und das Referenzsystem der Arbeit war im Wesentlichen korrekt. Wichtig ist dafür nur, dass die Angaben in der Zotero-Datenbank korrekt, d.h. einheitlich und vollständig sind.

Trial & Error

In Zotero begann ich dann auch bald, meine Literaturnotizen und Exzerpte zentral zu sammeln. Im Gegensatz zu meiner früheren Technik, bei der alle Notzien in einer Datei untereinander aufgelistet waren, hatte ich nun alles dem jeweiligen Literatur-Datensatz zugeordnet. Bei der Vorbereitung für Hausarbeiten war das hilfreich, weil strukturierter und übersichtlicher.

Am Schreibprozess selbst änderte das allerdings nichts. Denn sobald ich damit begann, zog ich alles wieder in eine Textdatei und baute davon ausgehend meinen eigenen Text. Eine Masterarbeit von etwa 100 Seiten ließ sich auf diese Weise noch erfolgreich produzieren. Aber spätestens beim nächsten Schritt, einer Dissertation mit 250 bis 300 Seiten, würde dieses System an seine Grenzen stoßen, dachte ich.

Womit wir im Grunde in der Gegenwart angekommen wären. Denn seit ca. einem Jahr bin ich jetzt in einem Trial & Error-Prozess dabei, ein für mich angenehmes, praktikables und zielführendes Wissensmanagement zu entwickeln. Dieses besteht derzeit aus einem digital-analogen Mix aus handschriftlichen bzw. getippten Notizen, dem Markdown-Editor Zettlr und Zotero. Das dazugehörige Konzept sieht drei Schritte vor, die ich nun kurz skizzieren möchte.

Let’s get concrete

Schritt 1: Lesen und Notieren

Texte lese ich in entweder analog (Buch/gedruckter Scan) oder digital (auf dem Tablett). Dabei habe ich immer einen Stift in der Hand, um Markierungen und Randnotizen zu machen. 2 Diese Randnotizen haben sich im Laufe der Jahre standardisiert und entsprechen den gängigen wissenschaftlichen Strukturkategorien. 3

STRUKTURKATEGORIE VERBUNDENE FRAGE / ERLÄUTERUNG NOTIZ AM TEXTRAND
Thema/Gegenstand Worum geht es allgemein? Thema
Fokus Worum geht es im Speziellen? Fok.
Fragestellung Was soll herausgefunden werden? F
Defintion Wie genau werden zentrale Begriffe verstanden? Def.
Ziel Was ist das Ziel des Textes? Was möchte er herausfinden, zeigen, infragestellen o.ä.? Ziel
These/n Was ist/sind die Antwort/en auf die Fragestellung? T bzw. T1, T2, …
(Histroische) Quellenbasis Mit welchem Material wird gearbeitet? An welches Material richtet sich die Fragestellung und werden Thesen abgeleitet? Q
Methode/Theorie Mit welcher Perspektive und welchem „Werkzeug“ nähert sich der Text dem Thema? Wie und auf welcher gedanklichen Grundlage wird die Fragestellung beantwortet? M/T
Forschungsstand Was wurde zum Thema bzw. zum speziellen Fokus bislang an wissenschaftlicher Literatur veröffentlicht, auf die der Text aufbaut? Fs
Angekündigtes Vorgehen Wie geht der Text im Einzelnen vor? Welche Schritte unternimmt der Text in seinem Verlauf? Vorgehen
Kernaussagen Was sind die zentralen Aussagen des Textes?
Für mich besonders relevant Was ist darüber hinaus für mich, mein Projekt, meine eigene Fragestellung bzw. mein persönliches Interesse von Bedeutung? ! bzw. Diss.

Tab. 1: Strukturkategorien für Randnotizen.

Sobald ich einen Text auf diese Weise gelesen und erschlossen habe,4 schreibe ich mir zumindest alles heraus, was für meine Dissertation oder meine jeweilige Frage(n) an den Text wichtig ist.5 Das tue ich meist in Form einer Liste, an deren Anfang die Literaturangabe des Textes steht. Hinter den einzelnen Punkten stehen dann auch immer Textverweise. Falls mir später etwas unklar ist oder ich den Punkt nochmal vertiefen will, weiß ich, wo genau ich gucken muss. Wenn ich einen Text nicht nur in Bezug auf mein eigenes Interesse, sondern darüber hinaus auch in seiner Grundargumentation genau dokumentieren will, schreibe ich ein Exposé. Dabei orientiere ich mich an den oben aufgeführten Strukturkategorien.

Nahezu alle meine Aufzeichnungen speichere ich digital und hefte sie darüber hinaus als analoge Ausdrucke in einem Ordner ab. Denn obwohl ich viel digital mache, bin ich ein eher haptischer Mensch. Tatsächlich kann ich auch auf Papier gedruckte Texte immer noch besser lesen als digitale.

Schritt 2: Verzetteln

Als nächstes werden die Notizen in Zettlr „verzettelt“, d.h. dass ich jeden relevanten Gedanken aus seinem ursprünglichem Textzusammenhang herauslöse und für jeden in eigenen Worten eine Einzelnotiz schreibe.6 Um die Notizen zu sammeln und zu organisieren, habe ich mir in Zettlr einen Zettelkasten angelegt.

Dort lassen sich die einzelnen Notizen auch verschlagworten und über IDs individuell miteinander verknüpfen. Auf diese Weise entsteht ein großes, sich stets erweiterndes und dynamisch aufeinander beziehendes Netz an Informationen. In meinem Zettelkasten sammele ich nicht nur meine Literaturnotizen, sondern grundsätzlich alle interessanten Gedanken, Ideen und Überlegungen. Der Einfachheit halber habe ich mir eine Zettel-Vorlage gebaut7 auf der jede Notiz beruht (siehe Abb. 2).

Zettelvorlage für Notizen.

Abb. 2: Zettelvorlage für Notizen.

Schritt 3: Pflegen der Zotero-Datenbank

Literatur sammele ich in Zotero – meistens schon im Rahmen der Recherche. Zunächst sortiere ich alle Einträge einem Projekt- und darin einem bestimmten thematischen Unterordner zu. Sobald ein Text für den weiteren Arbeitsverlauf relevant wird, schaue ich, dass der Eintrag einheitlich und vollständig ist. Wie gesagt, ist das die Voraussetzung dafür, dass auch die späteren Verweise im Text korrekt sind.

Anschließend versehe ich jeden Zotero-Eintrag mit Hashtags, die den jeweiligen Bearbeitungsstatus anzeigen und in Form eines farbigen Kästchens auch in den Einträgen auftauchen (siehe Abb. 3).

Farben Bearbeitungsstatus

Abb. 3: Farben zeigen in Zotero den jeweiligen Bearbeitungsstatus.

HASHTAG BEDEUTUNG
#liegt vor Der Text liegt in analoger oder digitaler Form zum Lesen bereit
#gelesen Ich habe den Text gelesen und durch Markierungen erschlossen
#exzerpiert Ich habe alles relevante aus dem Text herausgeschrieben
#verzettelt Ich habe mein Exzerpt in Zettl „verzettelt“
#eingepflegt Inhalte/Bezüge auf den Text finden sich in meinem Fließtext

Tab. 2: Bedeutung des jeweiligen Bearbeitungsstatus.

Im besten Falle habe ich einen Text dann also gelesen, alle für mich wichtigen Dinge herausgeschrieben und daraus verschlagwortete Einzelnotizen generiert. Zusätzlich habe ich in Zotero den Überblick darüber, welcher Text in welchem Stadium der Bearbeitung ist. Wofür ich bislang noch keine wirklich praktische Lösung gefunden habe: Meine Zettel übersichtlich und trotzdem flexibel in einen Fließtext zu übersetzen.

Fließtext: Theorie und Praxis

In Bezug auf Zettelkästen wird üblicherweise empfohlen, Gedanken und Argumente „inside the box“8, also entlang der bestehenden Zettel zu entwickeln. Indem immer mehr einzelne Zettel inhaltlich miteinander in Beziehung gesetzt werden, entsteht ein wachsendes Netzwerk an Informationen: Gewissermaßen ein großer, auf der Verknüpfung von Einzelgedanken basierender , Gedankenkomplex.

Soll aus diesem netzartigen Wissensspeicher nun ein linearer Fließtext zu einem bestimmten Aspekt entstehen, wird zunächst eine passende Gliederung entworfen. Anschließend werden alle für den Text relevanten Zettel identifiziert und entlang der Gliederung in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht. Zum Schluss sind die Gedanken auf den einzelnen Zetteln dann nur noch durch kurze Übergangstexte miteinander zu verbinden und fertig ist der Fließtext. Soviel zur Theorie.

In der Praxis fehlt mir bislang noch die Übung, meine Texte auf diese Weise „inside the box“ zu entwickeln und zu schreiben. In Sachen Fließtextproduktion fühle ich mich gerade in Microsoft Word noch immer am wohlsten. Ich benutze die Anwendung schon lange und habe mich einfach an die klar umgrenzen Seiten und hübsch vorformatierten Texte gewöhnt. Am Ende des Tages habe ich dann auch einen besseren Eindruck davon, was ich geschafft habe.

Außerdem ist es in der Geschichtswissenschaft üblich, Referenzen in Fußnoten anzugeben. Und das bekomme ich mit meinen Zotero-Kurzbefehlen in Word immer noch einfacher hin, als in Markdown. Hier empfinde ich das Setzen von Fußnoten als sehr umständlich. Hinzu kommt, dass ich als Historiker neben wissenschaftlichen Texten ja auch mit historischen Primärquellen, also z.B. Zeitungsartikeln aus den 1950er Jahren, arbeite. Ob, und wenn ja, wie ich die in meinen Zettelkasten mitberücksichtigen kann bzw. möchte, weiß ich noch nicht.

Cowabunga!

Ganz ausgefeilt ist mein Konzept also nicht nicht. Ob es das jemals sein wird? Mal gucken. Ob ich bei der jetzigen Methode bleibe? Vermutlich nicht. Solange meine Inhalte nicht verloren gehen, ist alles in Ordnung. Vielleicht werden sie im Laufe des Prozesses unterschiedlich entstehen oder verschiedene Formate durchlaufen. Das ist okay. Letztlich habe ich Lust und finde es wichtig, meine Arbeitsmethoden – und damit die Art und Weise, wie ich Wissen produziere – fortlaufend zu reflektieren und neues auszuprobieren. In diesem Sinne: Cowabunga!

 


Endnoten

1 Zotero wurde am Roy Rosenzweig Centre for History and New Media an der George Mason University entwickelt. Von dort stammen auch andere tolle Tools wie Tropy, mit dem sich historisches Quellenmaterial organisieren und individuell erschließen lässt; sowie Omeka, eine Software zum Erstellen von Onlinearchiven. Auf Omeka läuft auch das coronarchiv, ein Projekt zum Sammeln von Erlebnissen und Eindrücken zur Corona-Pandemie. Tragt doch gerne etwas dazu bei!
2 Selbst beim nicht-wissenschaftlichen Lesen habe ich zumindest immer einen Stift griffbereit, falls ich z.B. ein gutes Zitat oder einen spannenden Gedanken finde.
Ein ganz ähnliches System schlagen auch Thieme und Weiß vor: Thieme/Weiß 2020, S. 44–47.
4 Das Thema wissenschaftliches Lesen ist vielschichtig und wäre mindestens einen eigenen Beitrag wert. Zum Glück haben andere Menschen aber schon sehr viel nützliches darüber geschrieben. Hilfreich finde ich z. B. Otto Kruse: Lesen und Schreiben. Der richtige Umgang mit Texten im Studium. Konstanz 2010, sowie Sarah Thieme/Jana Weiß: Lesen im Geschichtsstudium. Opladen/Toronto 2020.
5 Dafür macht es Sinn, sich zuvor über den jeweiligen Anlass des Lesens klar zu sein: Lese ich den Text z.B., um seine Gesamtargumentation im Seminar zu besprechen oder weil ich eine ganz bestimmte Information für meine Hausarbeit brauche? Siehe hierzu auch Thieme/Weiß (2020), S. 19 f.
Siehe Söhnke Arendts: Das Zettelkasten-Prinzip: Erfolgreich wissenschaftlich Schreiben und Studieren mit effektiven Notizen. Norderstedt 2017, S. 83–98. Das wesentlich an die Arbeitsmethode Niklas Luhmanns angelehnte „Zettelkasten-Prinzip“ finde ich in Sachen „effektive wissenschaftliche Notizen“ insgesamt sehr inspirierend.
Dabei habe ich mich wiederum an Ahrend (2017) orientiert.
8 Ahrend (2017), S. 115.

Über den Autor:

Benjamin Roers hat Geschichte und Philosophie an der Universität Hamburg studiert und war dort u. a. als studentische Hilfskraft im Arbeitsfeld Public History aktiv. Seit April 2019 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) der Justus-Liebig-Universität Gießen. Die meisten Notizen sammelt er für seine Dissertation zu Mensch-Tier-Beziehungen im Zirkus im 20. Jahrhundert.


CC BY 4.0
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind – sofern nicht anders angegeben – lizenziert unter CC BY 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: Geschichte und Gegenwart meiner Notizen (Gastbeitrag von Benjamin Roers) #Notizschreibwochen2020“ von Benjamin Roers, Lizenz: CC BY 4.0. Der Beitrag steht als Markdown-, DOCX- und PDF-Datei zur Verfügung.
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