Wettlauf um Talente: Ein Einblick in Employer Branding in wissenschaftlichen Bibliotheken
„Neben den Räumlichkeiten und der Medienausstattung ist das Personal die zentrale Ressource für Bibliotheken“ (Schleihagen 2018, S. 470). Diese Aussage ist heute relevanter denn je, denn der demografische Wandel bedroht die Fachkräfteversorgung im öffentlichen Sektor, zu dem viele wissenschaftliche Bibliotheken gehören. Laut Prognosen wird dieser Sektor bis 2030 am stärksten von Fachkräfteengpässen betroffen sein (vgl. PricewaterhouseCoopers 2022). Bibliotheken müssen daher Strategien entwickeln, um geeignete Mitarbeitende zu finden und zu halten. Ein Schlüssel zum Erfolg kann die gezielte Positionierung als attraktive Arbeitsstelle sein – kurz gesagt: Employer Branding.
Aus persönlichem Interesse und durch meine berufliche Auseinandersetzung mit diesem Thema möchte ich erklären, was Employer Branding ist und wie es wissenschaftlichen Bibliotheken helfen kann, sich als attraktive Arbeitgeber zu etablieren.
Employer Branding – die Lösung?
Aber was ist überhaupt Employer Branding? Der Begriff „Employer Branding“ geht auf die Marketing-Forscher Tim Ambler und Simon Barrow zurück, die die Arbeitgebermarke als „package of functional, economic and psychological benefits provided by employment, and identified with the employing company“ (Ambler & Barrow 1996, S. 187) definieren.
Beim Employer Branding werden Marketingtechniken genutzt, um die Beziehung zwischen potenziellen bzw. bestehenden Mitarbeitenden und der Organisation zu stärken. Ziel ist es, eine starke Arbeitgebermarke zu entwickeln, die sowohl nach innen als auch nach außen Wirkung zeigt. Konkret werden durch diese Maßnahmen drei Ziele verfolgt:
- Abhebung von anderen Arbeitgebern: Die Organisation profiliert sich und zeigt, was sie einzigartig macht.
- Rekrutierung: Geeignete Bewerber*innen nehmen die Organisation als attraktiven Arbeitgeber („Employer of Choice“) wahr und werden rekrutiert.
- Mitarbeitendenbindung: Bestehende Mitarbeitende fühlen sich wohl und bleiben langfristig.
Employer Branding umsetzen in 7 Schritten
Viele Arbeitgeber nutzen bereits Maßnahmen des Employer Branding, in der Praxis aber häufig nur durch Einzelmaßnahmen ohne klare Strategie, sodass der gewünschte Erfolg ausbleibt. Beim Employer Branding handelt es sich allerdings um eine langfristige Strategie, die durchdacht und systematisch umgesetzt werden sollte.
Sieben wichtige Schritte können sein:
- 1. Informieren – Mitarbeitende frühzeitig über das Vorhaben informieren und in den Prozess einbeziehen.
- 2. Intern analysieren – Die Wahrnehmung der Arbeitgebermarke (Charakteristik) durch die Mitarbeitenden ermitteln.
- 3. Extern analysieren – Wünsche und Anforderungen der potenziellen neuen Mitarbeitenden ermitteln und das Wettbewerbsumfeld untersuchen
- 4. Ableiten – Aus den Analysen wird die Employer Brand abgeleitet, welche die Wahrnehmung der Organisation positiv beeinflusst. Sie umfasst visuelle Elemente wie Farben, Schrifttypen oder Symbole und eine prägnante Botschaft mit hohem Wiedererkennungswert. Diese wird als Employer Value Proposition bezeichnet und vermittelt die Werte und Erwartungen des Unternehmens.
- 5. Kommunizieren – Die Employer Brand intern und extern sichtbar machen.
- 6. Verkörpern – Werte nicht nur kommunizieren, sondern auch praktisch umsetzen und leben sowie authentisch vermitteln.
- 7. Kontrollieren – Fortan sollte eine regelmäßige Erfolgskontrolle stattfinden.
Was sich Mitarbeitende wissenschaftlicher Bibliotheken wünschen
Im Rahmen von Untersuchungen haben Marketing-Forscher Pierre Berthon und Kolleg*innen 25 Arbeitgeber-Eingenschaften identifiziert, die die Arbeitgeber-Attraktivität ausmachen. Diese lassen sich in fünf Dimensionen kategorisieren:
- Interesse: Ein spannendes Arbeitsumfeld mit qualitativen Produkten/Dienstleistungen
- Soziales: Ein freundliches Arbeitsumfeld mit guten kollegialen Beziehungen
- Wirtschaftlichkeit: Gutes Gehalt und Job-Sicherheit
- Entwicklung: Anerkennung und gute Karrierechancen
- Anwendung: Sowohl die Orientierung an den Kundinnen/Nutzerinnen als auch die Möglichkeit, das zuvor Gelernte anwenden zu können
Die folgenden Ausführungen basieren auf den Ergebnissen meiner Bachelorarbeit (vgl. Gnadt 2024). In einer nicht-repräsentativen Stichprobe von 291 Mitarbeitenden wissenschaftlicher Bibliotheken zeigte sich ein eindeutiges Bild: Die Dimension „Soziales“ wurde als die Wichtigste eingestuft, dicht gefolgt von der Dimension „Interesse“. Dies zeigt, dass ein angenehmes Arbeitsklima und hochwertige Dienstleistungen für die Angestellten den größten Stellenwert haben.
Die Studie ergab desweiteren konkret:
- Der Sozial-Wert „Dass in der Bibliothek allgemein ein angenehmes Arbeitsklima herrscht“ wurde von allen 25 abgefragten Werten insgesamt als am wichtigsten angesehen, gefolgt vom Sozialwert „Dass ich in der Bibliothek ein gutes Verhältnis zu meinen Kolleg*innen habe“.
- Auf dem dritten Platz landet der Interessens-Wert „Dass die Dienstleistungen der Bibliothek von hoher Qualität sind“.
- Am schlechtesten schneidet der Wirtschaftlichkeits-Wert „Dass die Bibliothek mir mehr Zusatzleistungen bietet als gesetzlich vorgeschrieben (z.B. Zuschüsse für Fitness oder Essens-Gutscheine)“ ab.
Möglichkeiten und Grenzen für wissenschaftliche Bibliotheken
Wissenschaftliche Bibliotheken können von einer Employer-Branding-Strategie durchaus profitieren. Trotz mancher Einschränkung durch die Zugehörigkeit zum öffentlichen Sektor bringen sie bereits viele Werte mit, die für die Zielgruppe attraktiv sind. Diese gilt es im Zuge einer Employer-Branding-Strategie zu betonen und weiter auszubauen. Mit einer klaren Employer-Branding-Strategie haben wissenschaftliche Bibliotheken und andere Kultureinrichtungen das Potenzial, zum „Employer of Choice“ zu werden – also zum bevorzugten Arbeitgeber.
Als Autorin dieses Beitrags hoffe ich, auch in Zukunft aktiv am Thema Employer Branding für wissenschaftliche Bibliotheken mitwirken zu können, da die Sicherung von Fachkräften meiner Ansicht nach eine zentrale Herausforderung bleibt, an der ich großes Interesse habe. Bei Fragen oder Interesse an einem Austausch stehe ich natürlich gerne zur Verfügung.
Literatur
AMBLER, Tim und BARROW, Simon, 1996. The employer brand. In: The Journal of Brand Management [online]. 4(3), S. 185-206 [letzter Zugriff am: 27.08.2024]. SPRINGER LINK. ISSN 1479-1803. Verfügbar unter: 10.1057/bm.1996.42
GNADT, Vera, 2024. Mitarbeitendenbindung durch internes
Employer Branding. Handlungsempfehlungen für wissenschaftliche Bibliotheken. Unveröffentlichte Bachelorarbeit, Bibliotheks- und Informationsmanagement. Hamburg: Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
SCHLEIHAGEN, Barbara, 2018. Wie gewinnen wir neues Personal für veränderte Bibliotheken? Die BID AG Personalgewinnung hat ihre Arbeit aufgenommen. In: Forum Bibliothek und Information [online]. 70(08-09), S. 470-473 [letzter Zugriff am: 27.08.2024]. UrMEL Universal Multimedia Electronic Library. ISSN 1869 -1137. Verfügbar unter: URL: https://zs.thulb.uni-jena.de/receive/jportal_jparticle_01038199
PRICEWATERHOUSECOOPERS GMBH, 2022. Fachkräftemangel im öffentlichen Sektor [online]. Warum wir dringend handeln müssen. Zehn Handlungsempfehlungen als Impuls für Entscheider:innen. Frankfurt am Main: PricewaterhouseCoopers GmbH [letzter Zugriff am: 27.08.2024]. Verfügbar unter: https://www.pwc.de/de/branchen-und-markte/oeffentlicher-sektor/fach-kraeftemangel-im-oeffentlichen-sektor.html
Über die Autorin
Vera Gnadt arbeitet seit November 2024 als Bibliothekarin in der Medienbearbeitung der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Hamburg. Sie hat Bibliotheks- und Informationsmanagement an der HAW Hamburg studiert und währenddessen in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, bei den Hamburger Bücherhallen und in der Bibliothek des Geografischen Instituts der Uni Hamburg gearbeitet. In ihrer Abschlussarbeit hat sie sich dem Thema Employer Branding in Bibliotheken gewidmet
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