
Pro und Contra visuell darstellen: Die Argumentationswippe als Entscheidungshelfer
Diese Woche hat meine Kollegin Katrin Bock bei HOOU Shares, einem offenen, hybriden Austauschformat am Institut für Technische Bildung und Hochschuldidaktik (ITBH) der TU Hamburg, auf ein kleines, aber feines Tool aufmerksam gemacht: die Argumentationswippe.
Mit ihr lassen sich Argumente visuell gegenüberstellen – ein einfach zu bedienendes, kostenloses Online-Tool, das besonders bei kontroversen Themen hilfreich sein kann. Es unterstützt dabei, Pro- und Contra-Punkte strukturiert zu erfassen, zu gewichten und übersichtlich darzustellen. Das kann eine differenzierte Auseinandersetzung mit verschiedenen Perspektiven – sei es in der Schule, im Studium oder im Arbeitsalltag – fördern.
Im Folgenden stelle ich die grundlegenden Funktionen des Tools vor und teile Ideen, wie es sich konkret in Lehre und Arbeitsalltag einsetzen lässt. Der Beitrag ist in folgende Abschnitte eingeteilt:
- 1. Über die Argumentationswippe
- 2. Einstellungsmöglichkeiten
- 3. Funktionen der Argumentationswippe
- 4. Ideen für Lehre und Studium
- 5. Fazit
1. Über die Argumentationswippe
Mit der Argumentationswippe lassen sich Argumente nicht nur sammeln, sondern auch gewichten. Das kostenlose, browserbasierte Tool zeigt, dass nicht nur die Anzahl, sondern auch die Bedeutung eines Arguments entscheidend ist. Je nach Gewichtung können die Argumente auf der Wippe angeordnet werden – ihre Position sowie die Neigung der Wippe verändern sich dabei sofort, wenn man die Argumente umsortiert.

Ich kann mir gut vorstellen, dieses Tool sowohl im Rahmen unseres Seminars „Wissenschaftliches Arbeiten“ als auch im Arbeitsalltag zu nutzen. Gerade bei neuen und komplexen Themen fällt es nicht selten schwer, eine klare Argumentation zu entwickeln. In solchen Fällen kann die visuelle Unterstützung durch digitale Tools wie die Argumentationswippe hilfreich sein, um Gedanken zu strukturieren und Argumente gezielter zu gewichten. Einige Ideen dazu teile ich nach einem Blick auf die Einstellungsmöglichkeiten sowie die zentralen Funktionen des Tools.
2. Einstellungsmöglichkeiten
Was die (überschaubaren) Einstellungsoptionen der Argumentationswippe betrifft, so lässt sich zwischen einem hellen Farbschema und einem Darkmode wählen. Die Farben der Kategorien (siehe auch „Funktionen“) können alternativ gemustert dargestellt werden. Neben den Optionen „Deutsch“ und „Englisch“ können die Buttons der Oberfläche mit Klick auf das „Hide Buttons“-Symbol (obere rechte Ecke) ausgeblendet werden.

3. Funktionen der Argumentationswippe
Ruft man https://argumentationswippe.de auf, erscheint zunächst eine leere Wippe, auf der Pro- und Kontrapunkte je nach Gewichtung platziert werden können. Die gewichtigsten Argumente kommen an die Enden der jeweiligen Seite, während weniger gewichtige Argumente zur Mitte hin positioniert werden. Argumente lassen sich auch übereinander stapeln.
- 1. Zu Beginn können die Bezeichnungen „Argumentationswippe“, „Pro“ und „Contra“ per Klick auf das jeweilige Kästchen angepasst werden.
- 2. Ein neues Argument kann über das Plus-Symbol hinzugefügt und anschließend per Drag & Drop an die gewünschte Position auf der Wippe verschoben werden. Auf Tablets und Smartphones funktioniert dies per Antippen und Verschieben. Je nach Anzahl und Position der Argumente kippt die Wippe nach links, rechts oder bleibt ausgewogen.
- 3. Da Markdown in Teilen unterstützt wird, kann innerhalb von Argumenten Text unter anderem kursiv („Text“) oder fett („Text“) hervorgehoben werden. Argumente lassen sich auch nach der Erstellung noch bearbeiten.
- 4. Zum Löschen einzelner Elemente werden diese einfach in den Papierkorb verschoben.
- 5. Insgesamt stehen derzeit sechs Farben zur Verfügung, mit denen Argumente farblich kategorisiert werden können. Wird mehr als eine Farbe verwendet, erscheint eine Legende auf der linken Seite, die per Klick beschriftet werden kann.
- 6. Nachdem alle Argumente abgewogen wurden, lässt sich die finale Argumentationswippe als JSON-Datei speichern und bei Bedarf später wieder laden.

4. Ideen für Lehre und Studium
Die Argumentationswippe kann auf verschiedene Weise in der Lehre, im Studium und im Arbeitsalltag eingesetzt werden, um Argumentationsprozesse zu visualisieren und zu strukturieren. Nachfolgend teile ich einige konkrete Ideen.
Seminarbeispiel: KI in der Bildung
Im Rahmen unseres Seminars „Wissenschaftliches Arbeiten“ könnte ich mir vorstellen, bei einem kontroversen Thema wie beispielsweise „Soll KI in Bildung und Forschung eingesetzt werden“ eine spannende Diskussion im Plenum zu unterstützen. Dabei könnte tiefer über Pro- und Contra-Argumente nachgedacht werden, und vor einer bewussten, individuellen Positionierung würde eine Auseinandersetzung mit Argumenten beider Seiten erfolgen:

Argumentationswippe bei der Ideenfindung
Im Rahmen eines Blogbeitrags und in der Lehre sprechen wir über Ideenfindungsmethoden für wissenschaftliche Haus- und Abschlussarbeiten. Dabei wird auch auf einen simplen Ansatz eingegangen, bei dem Fragen als Auslöser der Ideenfindung dienen. Während in den Beispielen mit einfachen Tabellen und Listen gearbeitet wird, könnte hierfür natürlich auch eine Argumentationswippe erstellt werden. Am Beispiel des im Blogbeitrag behandelten Themas „Marketing für öffentliche Einrichtungen“ könnte eine Argumentationswippe zum Beispiel wie folgt aussehen:

Wissenschaftliches Arbeiten am Beispiel Exposé reflektieren
Studierende können mithilfe der Argumentationswippe auch die kennengelernten Methoden und Strategien des wissenschaftlichen Arbeitens reflektieren, zum Beispiel das Verfassen eines Exposés. Dabei lässt sich gezielt überprüfen, wie der kurze Musterentwurf der umfassenderen Hausarbeit die eigene Herangehensweise an diese beeinflusst hat und welche Vorteile oder Schwierigkeiten Studierende bei der Methode sowie in Bezug auf eine umfangreichere Abschlussarbeit festgestellt haben. Ein Beispiel für eine Wippe zu diesem Thema könnte wie folgt aussehen:

5. Fazit
Weitere Einsatzmöglichkeiten in der Lehre
Die Argumentationswippe ist ein einfaches Tool zur Visualisierung von Argumenten innerhalb einer Diskussion. Sie kann unter anderem in der Lehre genutzt werden, um die in Debatten vorgebrachten Pro- und Contra-Argumente anschaulicher darzustellen. Über die bereits aufgeführten Ideen hinaus sehe ich noch weitere Einsatzmöglichkeiten. So könnte die Wippe auch genutzt werden, um Argumente in einem Text herauszuarbeiten und zu ordnen (Was spricht laut der Autor*in für X? Was spricht dagegen? Wird das Gegenargument gut entkräftet?), was sich besonders bei Literaturreviews oder der kritischen Auseinandersetzung mit Quellen als hilfreich erweisen könnte.
Potentielle Anwendung im Arbeitsalltag
Auch im Arbeitsalltag, etwa in der Bibliothek, kann ich mir vorstellen, dass erste Überlegungen zu verschiedenen Entscheidungen von der Nutzung dieses Tools profitieren könnten. Ein Beispiel, das mir in diesem Zusammenhang einfällt, ist die wiederkehrende Frage, ob veraltete oder weniger genutzte Bestände entfernt werden können. Aber auch zu Themen wie der Kosten-Nutzen-Abwägung (zum Beispiel Anschaffungskosten für neue Medien im Vergleich zur langfristigen Nutzung) oder der Chancen-Risiken-Evaluation (beispielsweise das Entfernen von Beständen, die plötzlich wieder gebraucht werden könnten, oder das Hinzufügen von Ressourcen, die sich als wenig relevant herausstellen) halte ich es für erprobenswürdig, das Tool je nach Situation zu nutzen, um unterschiedliche Prioritäten und Sichtweisen anschaulich zu visualisieren und persönliche Wertmaßstäbe zu reflektieren.
Erweiterungswunsch?
Als kleinen Erweiterungswunsch möchte ich die Begrenzung auf sechs Farben festhalten. Es wäre vielleicht hilfreich, wenn die Argumentationswippe mehr Farben zur Verfügung stellen würde, um noch differenziertere Kategorien bilden zu können. Hier bin ich bei einigen Themen an die Grenze gestoßen, wobei jedoch auch gesagt werden muss, dass ab einer bestimmten Komplexität und Gewichtung die Übersicht verloren gehen könnte, was der schnellen und einfachen Handhabbarkeit des Tools entgegenstehen würde.

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