Ideen teilen: Wie aus kleinen Funken großes Feuer werden kann
Kürzlich, auf dem Weg zur Feier des zehnten Geburtstags der HOOU am 4. September, fragte mich jemand: „Warum ist es dir eigentlich so wichtig, dass Ideen nicht einfach in der Schublade verschwinden?“ Diese Frage hat mich länger beschäftigt, als ich gedacht hätte. Dabei wurde mir einmal mehr bewusst: Ideen werden nur lebendig, wenn wir sie teilen, ausprobieren oder wenigstens festhalten. Meiner Erfahrung nach können wir so auch erst wirklich aus ihnen lernen.
Gleichzeitig muss ich gestehen: Selbst während ich diesen Beitrag schrieb, schwang immer wieder der Gedanke mit: „Ist das überhaupt eine gute Idee? Sollte ich das wirklich veröffentlichen?“
Ideen verschwinden schneller, als man denkt
Wir alle kennen das: ein Geistesblitz unter der Dusche, eine kurze Notiz am Rand des Kalenders, eine spontane Eingebung auf der Busfahrt. Anfangs fühlen sich diese Ideen großartig an. Doch dann legen wir sie weg: „für später“. Später kann Tage, Monate oder Jahre bedeuten. Manchmal ist „später“ leider auch nie (Ich habe selbst so einige Kurztexte, die bis heute unverwendet geblieben sind).
Wichtig ist für mich, dass sie jederzeit zumindest griffbereit bleiben. So geraten sie nicht in Vergessenheit und ich spüre weniger Druck. Dieses Gefühl, eine „gute“ Idee gehabt zu haben, sich aber nicht mehr daran erinnern zu können, hat mich in der Schule und in den ersten Studiensemestern oft unruhig gemacht. Heute hilft mir dagegen oft ein Ideenjournal, das ganz unterschiedliche Formen haben kann. So trauere ich vergangenen Geistesblitzen seltener hinterher.
Im Deutschen Sprichwörter-Lexikon heißt es:
„Aus kleinem Fünklein kann gross Feuer werden“ (Wander, 1963, S. 1272).
Für mich lässt sich diese Metapher gut auf Ideen übertragen, denn ich finde, auch sie sind wie Funken. Sie leuchten kurz, bevor sie erlöschen. Wenn wir sie zu lange – oder gar nicht – aufbewahren, verlieren sie Energie und Frische – und mit der Zeit oft auch die Begeisterung für sie. Erst wenn wir sie festhalten und versuchen, sie zu entfachen, können aus kleinen Gedanken große Feuer werden.
Zweifel sind normal und Teil des Prozesses
Wir alle kennen die andere Seite: „Was, wenn meine Idee gar nicht so gut ist? Was, wenn sie niemanden interessiert?“ Oder: „Das hat bestimmt schon jemand gemacht.“ Solche Gedanken sind normal. Sie gehören für mich zum kreativen Prozess genauso dazu wie zum Beispiel die Unsicherheit, ob man bei der Literaturrecherche wirklich alle relevanten Informationen gefunden hat (vgl. Hapke, 2018, S. 4; Hagen, 2021).
Der entscheidende Punkt ist: Nur wenn wir eine Idee ausprobieren oder weiterdenken, können wir sehen, ob sie trägt. Selbst wenn es Ähnliches schon gibt, hast du immer deine eigene Perspektive, deine Erfahrungen, deinen Blickwinkel und deine Art zu erzählen. Oft kann genau diese Mischung eine alte Idee neu, relevant und für andere interessant machen oder sie zumindest auf das Thema lenken.
Gute Ideen entstehen oft im Alltag
Oft entsteht der Eindruck, dass großartige Ideen nur aus einer plötzlichen, „genialen“ Eingebung entstehen. Dabei kommen die besten Inhalte oft direkt aus dem Alltag: aus wiederkehrenden Fragen, gelösten Problemen oder Tools, die du selbst hilfreich findest. Denn wie Steven Johnson (Autor zu Innovation und Technologie) sagt:
„Chance favors the connected mind“ (Johnson, 2010, 17:29).
Gute Ideen entstehen, wenn wir alltägliche Beobachtungen miteinander verknüpfen. Besonders bei Tutorials, Schritt-für-Schritt-Anleitungen oder Toolvorstellungen besteht das Risiko, dass viele auf die vermeintlich „geniale“ Eingebung warten, obwohl genau diese alltäglichen Erfahrungen schon für andere wertvoll sind. Auch wenn sie uns banal erscheinen oder der oben aufgeführte Gedanke kommt, dass jemand anderes das sicher schon einmal gemacht hat. Selbst wenn nicht alles perfekt klappt, lernen wir aus jedem Versuch. Manchmal entsteht dabei etwas völlig Unerwartetes oder du legst das Fundament für die nächste, bessere Idee.
Ideen aus der Schublade holen
Ideen zu teilen bedeutet auch, andere zu inspirieren. Was für dich eine unfertige Skizze ist, kann für jemand anderes das fehlende Puzzleteil sein. Durch Austausch entstehen Verbindungen, neue Perspektiven und oft unerwartete Weiterentwicklungen, ähnlich dem Remix-Prinzip bei OER, wo bestehende Inhalte neue Formen und Perspektiven annehmen.
Von daher versuche ich mir regelmäßig zu sagen: Hol deine Ideen aus der Schublade (oder pack sie nach Möglichkeit gar nicht erst hinein). Schreib sie auf, sprich darüber, probiere sie aus. Nicht jede Umsetzung muss perfekt oder völlig neu sein, aber meist steckt Potenzial darin, etwas zu bewegen oder selbst etwas zu lernen.
Und wenn es mal hakt oder Zweifel überhandnehmen, hilft mir oft ein Perspektivwechsel: Statt auf die „geniale“ Idee zu warten, schaue ich, was schon existiert, und überlege, wie ich es auf meine Weise weiterentwickeln kann. Ein Ansatz, den Austin Kleon in Steal like an artist anschaulich beschreibt (vgl. Kleon, 2012).
Kleine Schritte, um trotz Zweifel ins Handeln zu kommen
- Idee festhalten: Schreib deine Idee auf oder skizziere sie. Egal, wie unvollständig sie ist. So verlierst du sie nicht, kannst reflektieren, weiterdenken oder lose Ideen miteinander verbinden.
- Erstes Feedback einholen: Zeige deine Idee einer vertrauten Person. Schon ein kurzes Feedback kann Zweifel relativieren, Mut machen oder die Weiterentwicklung stützen.
- Gespräch suchen: Tausche dich mit Freund*innen, Kolleg*innen oder (d)einer Community aus (wenn möglich). Oft entstehen neue Perspektiven, die die Idee klarer und umsetzbarer machen.
- In kleinen Schritten umsetzen: Starte mit etwas Einfachem – ein Mini-Test, ein Rohtext, ein Tutorial oder ein Beitrag in einer Veranstaltung. Das Ausprobieren gibt dir Klarheit und Motivation.
Und du? Wie gehst du mit deinen Ideen um? Festhalten, Teilen oder Warten? Berichte doch gerne in den Kommentaren oder über andere Kanäle.
Literatur
Hagen, F. (2021, August 13). Monatsnotiz Juni/Juli 2021 – Semesterende, Barcamps und die neue Single Source Publishing Community. tub.torials.
https://www.tub.tuhh.de/tubtorials/2021/08/13/monatsnotiz-juni-juli-2021-semesterende-barcamps-und-die-neue-single-source-publishing-community/
Hapke, T. (2018, Januar). Herausforderungen rund ums Finden von Information. Collect, Write, Publish 2018: Fachinformationen finden.
https://www.tub.tuhh.de/wp-content/uploads/2018/01/Fachinformation-Collect-Write-Publish-Januar-2018.pdf
Johnson, S. (2010, September 21). Steven Johnson: Wo gute Ideen herkommen [Video recording]. https://youtu.be/0af00UcTO-c?t=1049
Kleon, A. (2012). Steal Like an Artist: 10 Things Nobody Told You About Being Creative. Workman Publishing Company.
Wander, K. F. W. (1963). Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1: A-Gothen ([Fotomechan.] Neudr. d. Ausg. Leipzig 1867, Bd. 1). Scientia Verl.
https://katalog.tub.tuhh.de/Record/038287196

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