2, 71, 90 – Nachbericht zum OERCamp 2020 in Hamburg

Auch wenn das Schmuddel-Wetter Hamburg fest im Griff hatte: Am 20. und 21. Februar fand das OERCamp „classic“ in der Hansestadt statt. Dank Barcamp-Format brachten sich vor Ort circa 90 Teilnehmende mit Session-Vorschlägen rund um Open Educational Resources (OER) ein. Aus diesen wurde nach kurzer Abstimmung das Programm erstellt. 71 Sessions zu Themen wie OER für Einsteiger_Innen, Austausch zu OER-Tools, OER-Formate für Schulen und Hochschulen sowie Praxiserfahrungen in Lehre und Lernen waren es am Ende im Hamburger Coworking-Space betahaus.

Der vollständige Sessionplan des OERCamps lässt sich hier aufrufen. Besonders bemerkenswert: Nahezu alle Sessions wurden von den Teilnehmenden kollaborativ dokumentiert. Einen großen Anteil daran dürfte auch der Vorab-Workshop „Wie wir Barcamps gut dokumentieren“ von Nele Hirsch haben. Die jeweiligen Dokumentationen lassen sich direkt über den Session-Plan abrufen. Abseits der eigentlichen Session-Termine gab es auch so reichlich Möglichkeiten für Austausch und Vernetzung. Im Folgenden teile ich eine kurze Liste mit Informationen, Fragen, Tools, Inspirationen oder Aufrufen, die mir besonders in Erinnerung geblieben oder im Nachgang aufgekommen sind.

Für einen umfassenderen Einblick empfiehlt sich ein Blick in die – oben bereits erwähnt – offen zugänglichen Dokumentationen der einzelnen Sessions. Zusätzliche Impressionen gibt es auch über den Hashtag #OERcamp.

1. OER muss nicht zwangsläufig digital sein

Es kann nicht oft genug gesagt werden. Wie andere Lernmaterialien müssen auch OER nicht zwangsläufig digital sein. Eine Umsetzung ist ebenso auf Papier oder in anderen haptischen Formen möglich. Ein schönes Beispiel gab es beim OERCamp mit dem OER-Würfel von Axel Klinger. Dieser bietet einen kompakten Einblick in die OER-Welt (u.a. Was sind OER? Warum OER? Für Wen?). Empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Mini-Buch-Idee von Sandra Schön und Martin Ebner.

2. Das immer währende Lizenzwirrwarr

Bei rechtlichen Fragen ist die Verunsicherung immer groß. Für die Umsetzung von OER haben sich CC-Lizenzen durchgesetzt. Kurz zusammengefasst funktionieren diese nach dem Baukastenprinzip. Diesem liegen vier Module zu Grunde: „Namensnennung“, „Nicht kommerziell“, „Keine Bearbeitung“ und „Weitergabe unter gleichen Bedingungen“. Die unterschiedlichen Module lassen sich miteinander kombinieren. Eine sehr verständliche Video-Erklärung gibt es von OERInfo. Grundsätzliche Informationen gibt es hier.

3. Druck zur OER-Erstellung?

An unterschiedlichen Stellen beim OERCamp (und auch darüber hinaus) wird des Öfteren darüber gesprochen, dass eine noch größere Verbreitung offener Bildungsmaterialien auch durch eine Wahrnehmung von Druck ausbliebe. Viele potentielle Macher_Innen verstehen etwa unter OER vor allem die Bereitstellung ganzer Lernarrangements oder -kurse. Hier kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, das bereits kleinere Arbeitsblätter (und andere kleine „OER-Nuggets“) oder Sammlungen (z.B. ein Text inklusive Aufgaben) ein OER darstellen.

4. Unbedingt einen längeren Blick auf Glitch werfen

Nele Hirsch hat auf dem OERCamp Einblicke in Glitch gegeben. Hier lassen sich zahlreiche Online-Anwendungen finden und nutzen. Darüber hinaus können auch eigene Lernarrangements erstellt werden, wobei vorhandene Projekte kopiert, geremixed und neu veröffentlicht werden können. Eingeschränkt (u.a. keine langfristige Ablage von erstelltem Content) lässt sich bereits ohne Registrierung loslegen. Denkbar sind so beispielsweise die Kombination von Textinhalten mit interaktiven H5P-Elementen. Besonders gut gefällt mir z.B. ein – nach Schwierigkeiten kategorisierter – Einblick in interaktive H5P-Formate.

5. Dies und das – Partizipation, Open Access-Repositorien und Tools

Fragen und Anregungen, die ich noch mitgenommen habe:

  • „Wie kann man Studierende bereits früh für die OER-Erstellung begeistern?“ (Ich denke ein interessantes Thema allein reicht nicht).
  • „Warum werden OER nicht einfach auf Open-Access-Repositorien abgelegt“ (Herausforderung sind u.a.: Material ist im Gegensatz zu anderen Publikationen nicht unbedingt abgeschlossen, gerade Lernkurse sind nicht heterogen und lassen sich schwer in Portalen abbilden).
  • Die Anforderungen ans Lernen sind sehr unterschiedlich. Einige bevorzugen Texte, andere Videos. Viele sind in der Bahn unterwegs, mögen vor allem Videos, greifen hier aber lieber auf Audioformate zurück. Andere wünschen sich wieder mehr Abstand zum digitalen, beispielsweise in Form gedruckter Texte. Daher macht es einfach nur Sinn Bildungsmaterial offen zur Verfügung zu stellen. Nur so können Inhalte mit weniger Aufwand auf die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden.
  • Tools, Tools, Tools: Es gibt sehr viele nützliche Anwendungen. Und es gibt sehr viele kreative Menschen, die mit diesen Werkzeugen ganz tolle Lehr-Lern-Angebote erstellen. Nur das Auffinden ist nicht immer ganz einfach. Daher lohnt sich auf jeden Fall ein Blick in unseren Aufruf zum Austausch über (potentielle) Verbesserungen von Übersicht und Zugänglichkeit digitaler Werkzeuge.

 

CC BY 4.0
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind – sofern nicht anders angegeben – lizenziert unter CC BY 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: 2, 71, 90 – Nachbericht zum OERCamp 2020 in Hamburg“ von Florian Hagen, Lizenz: CC BY 4.0. Der Beitrag kann auch als Markdowndatei runtergeladen werden.

Nachhaltigkeit und Digitalisierung – geht das?

Die vergangene Woche stand bei uns ganz im Zeichen von Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Im Rahmen des wöchentlichen Hackerspace der TUHH ging es um „Nachhaltigkeit in den HOOU-Projekten“ (20. November). Das Motto der diesjährigen Campus Innovation lautete „Nachhaltigkeit und Digitalisierung“ (21. bis 22. November).

Nachhaltigkeit von HOOU-Projekten

Beim Hackerspace ging es im Projektkontext vor allem darum, ob und wie der Zugang für Lernende auf das Backend von Webangeboten, gegebenenfalls die Betreuung der Lernenden und die möglicherweise weitere Betreuung des Projektes geregelt ist bzw. geregelt werden könnte. Für tub.torials nehme ich persönlich mit, dass wir derzeit durchaus gut aufgestellt sind. Das liegt unter anderem an folgenden Aspekten:

  • über Pläne zu Inhalten und Arbeitsprozesse wird regelmäßig Face-to-Face gesprochen;
  • für Herausforderungen, Berichte und mehr ist über den eigentlichen Projektkern hinaus auch in wöchentlichen internen Austauschrunden Platz;
  • Projektthemen (u.a. to-dos, Aufgabenverteilung und Vorgehen) werden intern sowohl über ein Wiki als auch über das Git-Projekt kommuniziert bzw. ausgehandelt und festgehalten;
  • wo es sich anbietet wird mit Funktionsaccounts gearbeitet.

Was also im Projekt passiert, ist auch in einem größeren internen Kreis einseh- und nachlesbar. Mögliche Übergaben von Projekten oder Übernahmen von Tätigkeiten sind so einfacher möglich. Dennoch hat der Austausch im Hackerspace mir einmal mehr verdeutlicht, wie gut und wichtig eine umfassende Dokumentation ist. Neben der Nachvollziehbarkeit von Arbeitsprozessen, behobenen und eventuell auch noch bestehenden Herausforderungen und Problemen sollte auch der eigentliche Projektaufwand in einer umfassenden Dokumentation Platz finden. Für uns bei tub.torials bedeutet dies u.a. auch eine Erfassung des betriebenen Aufwands hinsichtlich:

  • Technikbetreuung (bspw. Funktionalität der Webseite, Linkchecking, OER-Material);
  • OER-Produktion (aus welchem Kontext heraus bietet sich eine Erstellung von OER an und wie wird dies umgesetzt);
  • Inhaltsbetreuung;
  • Organisation (bspw. Repräsentation, Kollaborationen, Remix von Inhalten).

Hier ist auf jeden Fall noch Luft nach oben, denn Prozesse im Experimentierfeld sind für mich einmal mehr und einmal weniger einfach zu erfassen beziehungsweise abzuschätzen. Über Empfehlungen und eigene Erfahrungen mit Erfassungsansätzen von Leser_innen würden wir uns auf jeden Fall freuen.

Campus Innovation: Nachhaltigkeit und Digitalisierung

Das Schwerpunktthema der Campus Innovation 2019 war „Nachhaltigkeit und Digitalisierung“. „Leider“ gab es so viele interessante Themenblöcke, dass ich oftmals am liebsten an zwei Orten gleichzeitig gewesen wäre. Glücklicherweise kann man über den Hashtag #CIHH19 zumindest im Ansatz nachlesen, was in den zahlreichen Sessions andernorts diskutiert wurde. Die folgenden Themen, die mich zum nach- und weiterdenken angeregt haben, sind also sehr selektiv.

Bienenschwarm im großen Saal?

Besonders hängen geblieben ist bei mir die Keynote „Studierende gestalten nachhaltige Hochschulen – digital unterstützt?!“ von Eva Kern und Leonie Schröpfer (netzwerk n e. V.). Schön das mit statt über Studierende auf so einer großen Bühne gesprochen wird. Unmittelbar zum Einstieg wurde das Publikum zum Gespräch untereinander aufgefordert: „Wie wirkt ihr?“ Im Saal klang es wie in einem Bienestock. Reges Treiben. Das war für mich ungewöhnlich. Und es hat Spaß gemacht. Ich glaube in so einem großen Kreis habe ich noch nie eine Murmelgruppe erlebt. Darüber hinaus ging es um viele spannende Projekte und Themen zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung an Hochschulen: Reisen, intelligentes Heizmanagement, Lehr-Lern-Programme wie die HOOU (u.a. Öffnung für die Zivilgesellschaft und Entwicklung von Inhalten im Rahmen von Lehrveranstaltungen) und Ansätze wie das Wandercoaching (Peer-to-Peer-Programm zur Entwicklung von Visionen für die eigene nachhaltige Hochschule). Sobald die Videoaufzeichnung (auf Podcampus sowie Lecture2Go) vorhanden ist, kann ich nur sagen: unbedingt mal reinschauen!

Bildungsminister Jan Böhmermann besucht US-Präsident Leonardo DiCaprio

Die gilt auch für den Vortrag „2040 oder die schöne neue Welt der universitären Lehre. Eine nicht ganz ernste Zukunftsvision“ von Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). In der überspitzten Zukunftsprognose beschäftigt die Fernuniversität Hagen die meisten menschlichen Mitarbeiter_innen und Bildungsminister Jan Böhmermann trifft sich mit dem US-Präsidenten Leonardo DiCaprio. Der Publikumsreaktion konnte man durchaus entnehmen, dass das vielen gefallen würde 😉 Für mich nehme ich hier primär mit, dass es auch heute noch ohne digitale beziehungsweise visuelle Unterstützung möglich ist, Menschen zu erreichen. Der Vortrag kam gänzlich ohne Folien aus. Für mich besteht da oftmals die Gefahr, das ich inhaltlich verloren gehe. Hier lösten die Inhalte bei mir aber großes Kopfkino aus. Sehr schön. Die satirische Erweiterung aktueller Tendenzen in der Hochschullehre machte ansonsten noch einmal deutlich, dass nach wie vor ein gutes Gleichgewicht zwischen klassischer und digitaler Lehre angestrebt werden sollte. Konkret vorausgesagt werden kann die Zukunft nicht. Aber mitgestaltet.

Data Literacy und das eigene Wirken

Am Freitag stand bei mir in erster Linie das Thema „Data Literacy“ im Mittelpunkt. Hier nehme ich im Großen und Ganzen viele gute Ideen und Anregungen mit, wie man für das Thema zumindest schon früh Studierende sensibilisieren kann beziehungsweise sollte. Für die Vermittlung von wirklich relevanten Basics denke ich allerdings nach wie vor, dass umfassendere Veranstaltungen wie in „Data Literacy Education – Welche digitalen Kompetenzen brauchen alle?“ durch Dr. Alexander Silbersdorff, Universität Göttingen, dargestellt, an Hochschulen Standard werden sollten.

Auch das eigene Wirken war am zweiten Konferenztag wieder mehrfach Thema. In verschiedenen Vorträgen und Gesprächen wurde klar, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit mehrheitlich sehr ausgeprägt ist. Das Handeln kann aber immer noch weit konsequemter erfolgen (Anschaffung privater Elektronik, Streaming, etc.). Besonders gut gefallen hat mir ein reger Austausch in meiner Sitzreihe zum Thema Nachhaltigkeit von Robotern als Lehrassistenten. Eine richtige Antwort kann ich für mich noch nicht festmachen. Aber es ist gut, dass hier während der Veranstaltungen und auch auf den Fluren immer wieder Austausch zu Inhalten statt findet, die mitunter vom Vortag stammen.

Zusammengefasst war die Campus Innovation für mich in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung. Bei mir kreisen immer noch viele Überlegungen und Ideen im Kopf. Eine eindeutige beziehungsweise konkrete Antwort auf die im Titel aufgeführte Frage ist schwer zu formulieren. Ja, nachhaltiger geht auf jeden Fall. Hinsichtlich dem „Wie?“ ist in vielen Bereichen aber (wenig überraschend) keine konkrete Antwort vorhanden. Die Ideen und Ansätze, die aus unterschiedlichen Perspektiven im Rahmen des Programmes thematisiert und diskutiert wurden, lassen mich aber zumindest mit einem guten Gefühl in die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema gehen.

CC BY 4.0
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind – sofern nicht anders angegeben – lizenziert unter CC BY 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: Nachhaltigkeit und Digitalisierung – geht das?“ von Florian Hagen, Lizenz: CC BY 4.0. Der Beitrag kann auch als Markdowndatei heruntergeladen werden.
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