Fake News gibt es auch in der Wissenschaft

Ein Beitrag im Deutschlandfunk im Februar 2018 mit dem Titel „Wer wagt, verliert : Whistleblower in der Wissenschaft“ von Christine Westerhaus macht u.a. auf einen Fall einer Wissenschaftlerin aufmerksam, deren Aufsatz erst große, auch publizistische Wellen schlug, bei dem sich dann aber herausstellte, dass die Ergebnisse und Forschungsdaten nicht existierten. Fälschung, Betrug und Fake News (dazu Blog-Beiträge der TIB Hannover) kommen also auch in der Wissenschaft vor.

Collage aus Buchcovern zu Fake und WissenschaftDie renommierte Zeitschrift „Science“ publizierte im Juni 2016 einen Artikel einer schwedischen Meersforscherin über die Auswirkungen von Mikro-Plastik im Meer auf Fische. Dieser Artikel wurde weltweit auch in den Medien beachtet, da das Thema damals und heute sehr aktuell war und ist. Auch der Deutschlandfunk selbst oder die Süddeutsche Zeitung berichteten über diese Forschungsergebnisse.

Einer Kollegin und einem Kollege der Wissenschaftlerin fällt auf, dass die Ergebnisse eigentlich nicht stimmen können, da sie zur gleichen Zeit am gleichen Ort ihre Forschungen durchgeführt hatten. Sie machen dies öffentlich und werden damit zu Whistleblowern. Letztlich zieht die Zeitschrift „Science“ die Veröffentlichung nach knapp einem Jahr zurück, gefolgt ein paar Monate später von einer weiteren Begründung.

Der Fall zeigt u.a.,

  • dass die Bedeutung der Publikation auch von Forschungsdaten, um Forschungsergebnisse zu belegen (und um die Daten ggf. auch weiter verwenden zu können), immer wichtiger wird.
  • dass auch bei renommierten Zeitschriften wie hier „Science“ das Peer-Review-Verfahren nicht immer funktionieren muss.

In einem Begleit-Beitrag zu dem 2016 publizierten wissenschaftlichen Aufsatz in der Zeitschrift „Science“ selbst mit dem Titel „Ecologically relevant data are policy-relevant data“ schrieb eine andere Wissenschaftlerin noch im „Summary“: „Ideally,environmental policy should be catalyzed by scientific evidence rather than environmental catastrophe“. Leider ging diese Aussage bei diesem Beispiel schief.

Auf zwei Aspekte kann anhand dieses Fall-Beispiels ebenfalls noch hingewiesen werden:

  • Die Zeitschrift „Science“ ist an der TUHH leider nur bis zum Jahrgang 274.1996 online verfügbar. Die geduckten Ausgaben der Zeitschrift bis heute, können Sie im Magazin über unseren Katalog bestellen, wobei die letzten 5 Jahrgänge im oberen Lesesaal unter der Signatur NAZ-104 für Sie zum Lesen und Kopieren bereit stehen. Es gibt also leider immer noch Zeitschriften, die Sie in der TUHH nur gedruckt bekommen.
  • Dass das Thema Fake und Wissenschaft noch andere Dimensionen hat, zeigen die ab 20. Juli 2018 veröffentlichten Berichte von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung zur Publikation in wissenschaftlich nicht seriösen Zeitschriften. Beim sogenannten „Predatory Publishing“ nehmen Verlage Gebühren für das Publizieren von wissenschaftlichen Aufsätzen, ohne dass ein ordentliches Peer-Review erfolgt.

    Ursache und Hintergrund der Geschäftmodelle dieser schon lange bekannten „Raubverlage“ sind einerseits der Druck auf Wissenschaft Treibende zu publizieren, um Reputation zu gewinnen. Andererseits findet zur Zeit auf dem wissenschaftlichen Publikationsmarkt das Publizieren via Open Access immer mehr Zuspruch, bei dem auch seriöse Verlage, die reine Open-Access-Zeitschriften publizieren, im Rahmen des Golden Open Access Gebühren für das Publizieren von Aufsätzen verlangen.

    Open Access fördert signifikant die Sichtbarkeit von Forschung. Aber Open Access ist auch zu einem neuen Geschäftsmodell geworden, das unseriöse Anbieter anlockt. Um die richtige Zeitschrift zum Publizieren eigener Forschung zu finden, gibt es einige Hilfsmittel.

    Die folgende Links bieten weitere Hinweise zum Thema „Fake Journals“

Was bedeutet für Sie Offenheit?

Das Seminar „Wissenschaftliches Arbeiten“ an der TUHH startet beim ersten Termin auch immer mit einer kurzen Diskussion zur Frage „Was ist für Sie ein wichtiges Kennzeichen von Wissenschaft?“

Abb. aus:  e-InfraNet: ‘Open’ as the default modus operandi for research and higher education (2013) CC-BY-SA 3.0 Lizenz tinyurl.com/Vielfalt-Offenheit

Abb. aus: e-InfraNet: ‘Open’ as the default modus operandi for research and higher education (2013) CC-BY-SA 3.0 Lizenz Volltext


Zu einem solchen Nachdenken über Wissenschaft wird zur Vertiefung eine schriftlich abzuliefernde Hausaufgabe gestellt. Die Studierenden sollen zwei Texte hinsichtlich Gemeinsamkeiten und Auffassungsunterschiede zu den Kennzeichen von Wissenschaft vergleichen. Für Ingenieur-Studierende kann diese Hausaufgabe durchaus ein kleiner Schock sein, haben sie doch manchmal extra ein solches Fach gewählt, damit sie nicht schreiben müssen.

Als alternative Hausaufgabe für besonders Kreative wird seit dem letzten Wintersemester zur Auswahl auch die Aufgabe gestellt, einen kurzen Text, etwa ein Essay, zu einem bestimmten, vorgegebenen Thema zu schreiben. Dieses Semester ist es das Thema Offenheit:

„Was bedeutet für Sie Offenheit, insbesondere beim Forschen und Lernen? Ist dies eine Haltung, hat sie was mit Zugang, Transparenz oder Freiheit, mit Bildung, Teilhabe oder Kollaboration zu tun? Welcher Aspekt von Offenheit ist für Sie besonders wichtig?“

Ich bin immer sehr gespannt, wieviele Studierende sich für den alternativen Text entscheiden! Lesende dieses Blog-Beitrages können auch gerne hier bei den Kommentaren ihnen wichtige Aspekte von Offenheit nennen und ausführen.

Übrigens: Vor zwei Semestern lautete das Thema

„Wie stelle ich mir eine Bibliothek in 5 bis 10 Jahren vor? Was erwarte ich als Dienstleistungen von einer Bibliothek heute? Wird es in 20 Jahren noch Bibliotheken geben? In welcher Form?“

Sieben der in der Regel 30 Teilnehmenden am Seminar hatten sich damals für diese Alternative entschieden, mit einem so interessanten Ergebnis, das deren Texte nun online als Publikation auf dem Open Access Repository der TUHH tub.dok verfügbar sind:

Bibliothek in Zukunft?! Texte von Studierenden zum Wandel von Bibliotheken : aus dem Bachelor-Seminar „Wissenschaftliches Arbeiten“ an der TU Hamburg /hrsg. von Thomas Hapke. Hamburg tub., 2017 (TUB HHefte – Schriftenreihe der Universitätsbibliothek der TU Hamburg (tub.);2)

Zur Nacht des Wissens in Hamburg am 4. November 2017 trägt der Schreiber dieser Zeilen zum Thema „Wikipedias Ahnen – zur Geschichte der Offenheit von Wissen“ vor. Im Rahmen einer kleinen Zeitreise lässt er sich von einem Mönch vertreten.

Offenheit als wissenschaftliche Tugend #OAweek2016

Offenheit in Bezug zu Wissen und damit Wissenschaft kann so definiert werden:

„Wissen ist offen, wenn jedeR darauf frei zugreifen, es nutzen, verändern und teilen kann – eingeschränkt höchstens durch Maßnahmen, die Ursprung und Offenheit des Wissens bewahren.“

Plakate zum Thema Offenheit tub.-710x399

Dokumentiert sind die vielfältigen Aspekte der Offenheit von Wissen z.B. in einer (virtuellen) Posterausstellung der TUHH-Bibliothek. Wissenschaftseinrichtungen und Bibliotheken weltweit nutzen die gerade stattfindende Open-Access-Woche um für das Ziel des Publizierens via Open Access zu werben, für das Ziel wissenschaftliche Informationen für alle Menschen weltweit frei zugänglich zu machen, kostenlos und möglichst frei von technischen und rechtlichen Barrieren.

Wissenschaftliches Arbeiten setzt eigentlich von Natur aus auf Offenheit des freien Wissensaustausches. Ein wichtiges Kennzeichen von Wissenschaft ist die Kommunikation. WissenschaftlerInnen, die ihre Forschungsergebnisse nicht publizieren und damit öffentlich machen, sind nicht wirklich Teil der weltweiten Wissenschaftsgemeinschaft.

So kann Offenheit als Tugend und Teil wissenschaftlicher Integrität, d.h. einer ethisch begründeten Haltung bzgl. des eigenen Handelns als Wissenschaftler, angesehen werden. Gerade in der jüngsten Zeit des digitalen Wandels sind Offene Wissenschaft oder Open Science als Oberbegriffe für das Ziel populär geworden, Wissenschaft leichter zugänglich für alle zu machen. Gerade eine globale digitale Welt, die an Nachhaltigkeit orientiert ist, ist immer mehr auf Offenheit angewiesen.

Wirkliche Intersubjektivität, nach Holm Tetens eines der fünf anzustrebenden Ideale von Wissenschaft ((vgl. Tetens: Wissenschaftstheorie. 2013, S. 17-28, hier S. 24ff), ist nur durch Offenheit möglich. Sie umfasst ein kooperatives, arbeitsteiliges Vorgehen, manchmal über mehrere Generationen hinweg. Die vier weiteren Ideale von Wissenschaft nach Tetens sind übrigens die Ideale der Wahrheit, der Begründung, der Erklärung und des Verstehens sowie der Selbstreflexion.

Publizieren – ein Fallbeispiel

Wissenschaft ohne Kommunikation ist keine Wissenschaft. Die wichtigste Form der Kommunikation in den Wissenschaften ist die Publikation.

Alle Wissenschaft Treibenden träumen davon, einmal einen Artikel in Nature oder in Science zu veröffentlichen. Beide Zeitschriften gehören zu den weltweit am meisten zitierten wissenschaftlichen Zeitschriften und haben – wie man sagt – einen hohen Impact-Factor.

Journals Ranking 2012 JCRDer Impact-Factor zu einer bestimmten Zeitschrift z.B. für das Jahr 2012 (siehe obige Abbildung aus dem Journal Citation Reports 2012) beschreibt das Verhältnis von der Anzahl der Zitate im Jahre 2012 von Artikeln der betreffenden Zeitschrift in den beiden Vorjahren (hier also 2010 und 2011) zur gesamten Anzahl der Artikel, die die jeweilige Zeitschrift in den beiden Vorjahren veröffentlicht hat.

Pressemitteilung TUHH: Mikrobiologen enttarnen rätselhafte „Comammox“-Mikroben
Der an der TUHH arbeitende Mikrobiologe Bernd Bendinger war an einer Publikation beteiligt, die Ende 2015 Jahres in der Zeitschrift Nature erschienen ist. Am Heiligabend, am 24.12.2015, erschien der Artikel in seiner endgültigen Version, nachdem der Artikel vorab am 26. November 2015 online gestellt wurde.

Dieser im Intranet der TUHH zugängliche Aufsatz beschreibt die Entdeckung eines Mikroorganismus genannt Comammox-Nitrospira, in dem die komplette Nitrifikation, also die Umwandlung von Ammoniak bzw. Ammoniumionen zu Nitrat in einem Organismus abläuft. Bekannt war bisher, dass dieser Stoffwechselweg auf zwei Bakteriengruppen aufgeteilt war. Es wurden ammonium-oxidierende und nitrit-oxidierende Bakterien unterschieden.

Daims, H.; Lebedeva, E. V.; Pjevac, P.; Han, P.; Herbold, C.; Albertsen, M.; Jehmlich, N.; Palatinszky, M.; Vierheilig, J.; Bulaev, A.; Kirkegaard, R. H.; Bergen, M. von; Rattei, T.; Bendinger, B.; Nielsen, P. H.; Wagner, M. Complete nitrification by Nitrospira bacteria. Nature 2015, 528 (7583), 504–509. DOI: 10.1038/nature16461 .

Weitere Hintergründe bieten eine Pressemitteilung der TUHH sowie ein kurzer, eher journalistisch gehaltener Beitrag in der gleichen Ausgabe der Zeitschrift Nature (Kuypers, M. M. M. Microbiology: A division of labour combined. Nature 2015, 528 (7583), 487–488. DOI: 10.1038/528487a ).

Dieser Artikel kann über das Fachliche hinaus als ein Parade-Beispiel für moderne Forschungsaktivitäten angesehen werden. Er beschreibt exemplarisch, wie Wissenschaft heute arbeitet.

  • Wissenschaft ist heute selten das Ergebnis der Forschung von Einzelpersonen.
    Der hier betrachtete Aufsatz wurde von insgesamt 16 Autoren verfasst.
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