Eine experimentelle Tätigkeit ist in den Natur- und Ingenieurwissenschaften Teil der Alltagspraxis beim wissenschaftlichen Arbeiten. Die Arbeit in einem Labor ist auch während der Ausbildung zum Ingenieur meistens unumgänglich und erfordert spezielle Verhaltens- und Arbeitsweisen. Das Schreiben eines Protokolls zu Experimenten muss schon im Praktikum während des Studiums geübt werden. In einer gerade vom Zentrum für Lehre und Lernen der TUHH herausgegebenen Broschüre (Die Spannung steigern. Laborpraktika didaktisch gestalten. 2015) findet sich eine „Checkliste zur Überarbeitung eines Protokolls“ (S. 42-43), die auch als Leitfaden für Studierende dienen kann.
In einer online im TUHH-Intranet verfügbaren „Einführung in die Laborpraxis“ („Basiskompetenzen für Laborneulinge“. Berlin: Springer 2009) bieten Bruno Kremer und Horst Bannwarth im Kapitel 5 „Protokollieren und Dokumentieren“ auch eine Einführung in die Nutzung von Laborbüchern:
„Die Protokollierung von Versuchsabläufen und -ergebnissen funktioniert natürlich nicht in Gestalt einer Zettelwirtschaft oder wachsenden Loseblattsammlung. Alle relevanten Daten trägt man in ein akribisch geführtes Protokollbuch ein. Dieser fallweise auch Labortagebuch oder Laborjournal genannte Informationsträger ist für jegliche kritische (Eigen-)Kontrolle der Arbeit ein gänzlich unentbehrliches Instrument. Ein Versuchsprotokoll bzw. Laborbericht bildet alle Teilschritte des experimentellen Arbeitens ab. Dieses Schriftstück ist also nicht nur die Rezeptur für einen Außenstehenden, der den betreffenden Versuch gedanklich oder auch praktisch nachvollziehen möchte, sondern hält alle entscheiden Schritte des gesamten experimentellen Tuns fest.“ (S. 59-60)
In jedem Labor ist daher das Führen eines Laborbuches (engl. laboratory notebook, Definitionen bei chemie.de und Wikipedia) Pflicht. Für Laien ist es oft schwer zu überblicken, wie ein solches geführt werden muss und welche Richtlinien es für den Umgang damit gibt. Einige der hier angegebenen Quellen bieten dafür Rezepte an. Der Umgang mit Laborbüchern ist teilweise durch den Gesetzgeber geregelt und von vielen Forschungsgruppen und Universitäten im speziellen noch einmal auf die eigenen „Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ angepasst.
Es folgen zwei Zitate aus dem Werk von Hans Friedrich Ebel, Claus Bliefert und Walter Greulich: Schreiben und Publizieren in den Naturwissenschaften (5. Aufl. Weinheim: Wiley-VCH, 2006. Online im TUHH-Intranet). Im Kapitel 1 enthält es unter anderem die Abschnitte „Das Laborbuch“ und „Die Umwandlung von Laborbuch-Eintragungen in einen Bericht“.
„Laborbücher sind die Keimzellen der naturwissenschaftlichen Literatur. Ihr Wert leitet sich aus ihrer Authentizitat und Unverwechselbarkeit ab. […] Laborbücher haben daher dokumentarischen Wert, und sie wurden auch schon zu gerichtlichen Auseinandersetzungen herangezogen.“ (S. 16-17)
„Die Aufzeichnungen müssen, sollen sie authentisch sein, sofort zum Zeitpunkt der Beobachtung oder Durchführung eingetragen werden. […] Verlassen Sie sich niemals ohne Not auf das Gedächtnis: Es kann trügen!“ (S. 18)
Zum Umgang mit Laborbüchern gibt es eine Vielzahl von Informationen im Netz. Die Universität Bielefeld hat mit LabWrite ein Tool, „das durch alle Experimentierphasen des Laborpraktikums führt“.
Mit Laborbüchern zusammenhängende Aspekte wissenschaftlichen Arbeitens
- Elektronische Laborbücher sind heutzutage immer wichtiger, besonders in der Chemie, vgl. das Open Access zugängliche Review „Laboratory notebooks in the digital era: the role of ELNs in record keeping for chemistry and other sciences“ (Chemical Society reviews, 2013)
- Die Bedeutung von Forschungsdaten wächst in der elektronischen Welt. Immer mehr werden sie sogar als eine Form der Publikation angesehen (vgl. ein Wiki zum Thema sowie einen „„Leitfaden zum Forschungsdaten-Management“, 2013).
- Rechtliches
- Es gibt Richtlinien zur sogenannten Guten Laborparxis (GLP), wobei es hier vor allem um Qualitätssicherung für Chemikaliensicherheit geht. In Deutschland ist das Bundesinstitut für Risikbewertung für die nationale Koordinierung zuständig.
- In einem Projekt „Beweissicheres elektronisches Laborbuch“ wurde über die rechtssichere Aufbewahrung von Forschungsdaten nachgedacht.
- Der Umgang mit dem Speichern von Forschungsdaten ist ein Thema der wissenschaftlichen Integrität (vgl. Macrina, Francis L. (2014): Scientific record keeping. In: Macrina (Hg.): Scientific integrity. Text and cases in responsible conduct of research. 4. ed. Washington, DC: ASM Press, S. 329–359). Die Sicherstellung wissenschaftlicher Integrität als „eine notwendige ethische Grundhaltung und eine übergreifende Kultur der Redlichkeit in der wissenschaftlichen Arbeit“ ist auch ein Thema von Empfehlungen des Wissenschaftsrates (Positionspapier. Köln, 2015, S. 5). Die niederländische Erasmus University Rotterdam bietet sogar ein Art von Spiel zum Thema an: „Dilemma Game ‘Professionalism and Integrity in Research‘„.
- Notizen machen (note-taking), nichts anderes passiert ja beim Führen eines Laborbuches, ist eines der wichtigsten Kulturtechniken beim wissenschaftlichen Arbeiten. Eigentlich ist es schon der Beginn des eigentlichen Schreibens und dokumentiert oft auch den eigenen Denkprozess. Was möglich ist, zeigt z.B. ein englischsprachiger „Ultimate Guide to Note-Taking“ von Kate Matsudaira.
Sogar WissenschaftshistorikerInnen wie Ann Blair und Hans-Jörg Rheinberger haben das „Notizen machen“ untersucht. Letzterer hat die Produktion von Wissen(schaft) durch Aufschreib-„Techniken“ im Labor als „Mischformen des Wissens“ (Iterationen. Merve, 2005, S. 74) und als „Zettelwirtschaft“ (Epistemologie des Konkreten. Suhrkamp, 2006, S. 350) beschrieben.
Die hier aufgeführten Quellen und manch weitere mehr sind über Zotero zu finden. Ausgangspunkt der Fragestellung dieses Textes waren Nachfragen im Seminar „Wissenschaftliches Arbeiten“ im Wintersemester 2015/16. Der Beitrag beruht auch auf gefundenen Quellen von Teilnehmenden des Seminars. Die Bewertung dieser Quellen und das Schreiben dieses Text erfolgte durch die Mitarbeit von Hanno Rieder.
Neuer Veröffentlichung zu Laborbüchern:
Im Blog der ZBW findet sich ein Interview über elektronische Laborbücher mit den Autorinnen des im letzten Kommentar erwähnten Wegweiser.