Gastbeitrag von Prof. Dr.-Ing. Tobias Knopp* , Institute for Biomedical Imaging
Offenheit und Wissenschaft sind seit Anbeginn der Menschheit eng miteinander verwoben. Das Ziel der Wissenschaft ist die Entdeckung neuer Erkenntnisse auf Basis des bestehenden Wissens. Demnach ist der Zugang zu Wissen absolut essentiell, um das Rad nicht immer wieder neu erfinden zu müssen. Trotz dieser offensichtlichen Verbindung scheint die Offenheit nicht in allen Wissenschaftszweigen selbstverständlich zu sein. Dies zeigt sich auch daran, dass der Begriff Open Science überhaupt etabliert werden musste.
Die schlechte Nachricht gleich zu Beginn: Open Science ist mit Aufwand verbunden. Dies liegt daran, dass bei einer Open-Science-Veröffentlichung nicht nur die Methoden und Ergebnisse in der Form eines Manuskriptes veröffentlicht werden. Zusätzlich werden möglichst viele weitere Bausteine bereitgestellt, aus denen das Manuskript entstanden ist. Zwei wesentliche Bestandteile sind hier Software und Daten, welche gut dokumentiert und strukturiert veröffentlicht werden. Bei experimentellen Arbeiten können dies auch Ton oder Videoaufnahmen sein, welche die Experimente dokumentieren. Das Zusammentragen und Aufbereiten aller Dokumente und Daten bedeutet selbstverständlich mehr Arbeit.
1.
Jeder Wissenschaftler möchte, dass die eigenen Forschungsergebnisse von anderen Wissenschaftlern beachtet werden. Durch das offene Bereitstellen von Code und Daten machen wir es für andere Forscher deutlich attraktiver sich mit unserer Forschung zu beschäftigen. Ganz offensichtlich steigern wir also die Forschungsqualität.
2.
Reproduzierbarkeit ist das Schlüsselelement, das ein Forschungsergebnis überhaupt zu einem Erkenntnisgewinn werden lässt. Durch einen offenen Publikationsansatz wird die Hürde zur Reproduktion eigener Ergebnisse für andere Forscher deutlich niedriger.
3.
Die eigene Forschung wird wesentlich nachhaltiger. Will ein Wissenschaftler 20 Jahre nach seiner Veröffentlichung die eigenen Ergebnisse validieren, kann dazu der Code und die bereitgestellten Daten genutzt werden.
Diese drei Punkte zeigen klar, dass es sich lohnt Open Science umzusetzen. Sie verdeutlichen auch, dass dieselbe Sorgfalt bei der Aufbereitung von Daten und Programmcode angewendet werden sollte, wie bei dem eigentlichen Manuskript. Vielmehr sollte der Forschungsgegenstand in seiner Gesamtheit aus einer Mischung verschiedener Medien verstanden werden.
Es lohnt sich hier ein Blick auf die offene Softwareentwicklung zu werfen, welche die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten maßgeblich vorangetrieben hat. Offene Software ermöglicht es Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen weltweit, die Funktionsweise von Programmen nachzuvollziehen und damit sowohl Fehler zu identifizieren als auch Weiterentwicklungen zu initiieren. Diese Vorteile haben ein einzigartiges Entwicklungsmodell erschaffen, bei dem Menschen unabhängig von Raum und Zeit auch über Organisationsgrenzen hinweg auf flexible Art und Weise zusammenarbeiten.
Auch die Wissenschaft selbst hat enorm von der Open-Source-Bewegung profitiert, da ein Großteil von Forschungsergebnissen auf offener Software beruht. Beispielsweise sei hier das Feld des maschinellen Lernens genannt, welches auf offenen Softwarepaketen wie PyTorch und TensorFlow basiert und heute in den meisten Wissenschaftsgebieten zum Einsatz kommt. Es ist daher nur folgerichtig, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Vorteile eines offenen Umgangs mit Forschungsergebnissen erkennen und so die Nutzbarkeit der Ergebnisse für die Menschheit steigern.
Für mich hat die Verknüpfung von Open Source und Open Science auch ganz praktische Vorteile. Unsere Forschungssoftware entwickeln wir direkt in einem offenen Prozess, bei dem neue Algorithmen in die bestehenden Open-Source-Projekte eingepflegt werden. Dadurch entsteht auch über Publikationsgrenzen hinweg eine kohärente Softwareinfrastruktur, welche sowohl für mich aber auch für andere Forscher nützlich ist.
Ich hoffe, mein Beitrag hat verdeutlicht, dass Open Science ein wichtiges Thema in der heutigen Wissenschaft ist. Als Einstieg empfehle ich ein kleines abgeschlossenes Projekt, an dem man den Prozess kennenlernen und sich von den Vorteilen überzeugen lassen kann.
Tobias Knopp
Open Science am Institut für Biomedizinische Bildgebung in Hamburg
Das Institut für Biomedizinische Bildgebung am UKE und der TUHH setzt sich in der Forschung für offene Wissenschaft ein. In diesem Video geben sie einen Überblick, in welche Bereichen sie Open Science verfolgen.
*Tobias Knopp wurde 1982 geboren und studierte von 2002 bis 2007 Informatik an der Universität zu Lübeck. Er promovierte 2010 ebenfalls an der Universität zu Lübeck mit einer Arbeit über das tomographische Bildgebungsverfahren Magnetic Particle Imaging (MPI). Die Arbeit wurde 2011 mit dem Klee-Preis der DGBMT (VDE) ausgezeichnet. 2011 wechselte er zur Firma Bruker Biospin, um an dem ersten kommerziellen MPI-System zu arbeiten. Von 2012 bis 2014 arbeitete er bei der Firma Thorlabs im Bereich der optischen Kohärenztomographie (OCT) als Softwareentwickler. Seit 2014 ist er Professor für Biomedizinische Bildgebung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und an der Technischen Universität Hamburg. Für seine Beiträge im Bereich Open Science erhielt er 2020 den Hamburg Open Science Award.
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