Diamond Open Access durch Finanzierungskonsortien: Worum geht es?
Vor dem Hintergrund der steigenden Kosten durch die Transformationsverträge engagiert sich die TUB verstärkt für alternative Finanzierungsmodelle im Bereich des Open-Access-Publizierens. Dazu gehört auch die Beteiligung an nachhaltigen Förderstrukturen für fachlich renommierte Diamond-Open-Access-Journals und -Buchreihen im Rahmen von Konsortien (= Finanzierungsgemeinschaften).
Finanzierungskonsortien führen Einzelbeiträge von Bibliotheken und Informationseinrichtungen zusammen, um die Betriebskosten der Redaktionen über festgelegte Zeiträume sicherzustellen. Sie stärken die freie Zugänglichkeit von Forschungsergebnissen ohne Gebühren für Autor*innen und Leser*innen, und damit auch die Unabhängigkeit der Forschung von kommerziellen Interessen.[1] (Siehe auch: “Open-Access-Glossar” > “Diamond Open Access”.) Teilnehmende Zeitschriften und Buchreihen müssen neben ihrer fachlichen Bedeutung rechtliche, technische, finanzielle und redaktionelle Mindeststandards erfüllen, die in eigenen Kriterienkatalogen[2] festgehalten sind.
Anbahnung, Vertragsschluss und Handling dieser Finanzierungskonsortien werden von Konsortialstellen an größeren Informationsinfrastruktur-Einrichtungen übernommen. Da diese Einrichtungen zentrale Aufgaben für bestimmte Fachdisziplinen wahrnehmen, sind auch die an ihnen angesiedelten Konsortien zumeist auf Gebiete spezialisiert, die dem Versorgungsauftrag der Trägereinrichtung entsprechen. Beispiele sind:
Konsortium | Trägereinrichtung | Fachgebiete | Medientyp |
Konsortiale Open-Access-Lösungen Aufbauen (KOALA) | TIB Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften | Informatik, Mathematik, Quantenphysik | Zeitschriften |
Open Library of Economics (OLEcon) | ZBW Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft | Wirtschaftswissenschaften | Zeitschriften |
Konsortiale Open-Access-Lösungen Aufbauen (KOALA) | SLUB Dresden | Geschichte, Umweltwissenschaften, Sozial- und Kulturanthropologie | Zeitschriften |
edu_consort_oa | DIPF Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation | Bildungsforschung | Zeitschriften, E-Books |
Aufgrund der Unterstützung seitens der TUHH-Forschung hat sich die TUB in diesem Jahr zur Förderung des Journals „Quantum“ im KOALA-Modell entschlossen.
Wie arbeiten Diamond-Open-Access-Konsortialstellen?
Konsortialstellen betreiben den Aufbau und das Handling von Finanzierungskonsortien als eigenständige Services, ob im Kontext von Pilotprojekten oder als Regeldienst. Bei der Übernahme der entsprechenden Aufgaben können die jeweiligen Einrichtungen häufig an mehrjährige Routine im „klassischen“ Konsortialgeschäft, d. h. als Verhandlungsführerinnen für Bibliothekskonsortien im Subskriptionsbereich (=Closed Access)[3] anknüpfen. Konkret umfasst die Organisation von Diamond-Open-Access-Konsortien folgende Tätigkeiten:
Anbahnung:
- Ermittlung von fachlich renommierten Zeitschriften und/oder Buchreihen, ggf. auf Grundlage einer Evaluation durch den hauseigenen wissenschaftlichen Dienst
- Durchführung von Sondierungsgesprächen mit infrage kommenden Herausgeber*innen, Redaktionen oder Verlagen
- infolge eines Akquiseversuchs oder
- infolge einer Finanzierungsanfrage seitens des Publikationsdienstleisters
- Prüfung der Mindeststandards
- Ermittlung der Finanzierungsbedarfe und Projektion der Betriebskosten
- Übermittlung eines Teilnahmeangebots
Bündelung:
- Zusammenstellung der Zeitschriften und/oder Buchreihen zu fachlichen Bündeln
- Anfertigung von Produktinformationsblättern mit Preisstaffelung
Vertragsschluss:
- Beiderseitige Unterzeichnung Kooperationsverträge zwischen den Publikationsdienstleistern und der Konsortialstelle
Teilnahmeumfrage:
- Durchführung einer Teilnahmeumfrage für Finanzierungsbeteiligungen („Pledging“) an alle wissenschaftlichen Bibliotheken und Informationsinfrastruktureinrichtungen für eine feste Laufzeit, unterstützt durch Werbemaßnahmen
- Bei Ende der Laufzeit Feststellung, ob die Finanzierungsziele erreicht sind und entsprechende Konsortien zustande kommen
Finanzierungsjahr(e):
- Sicherstellung, dass die Teilnahmeverträge durch die teilnehmenden Bibliotheken unterzeichnet sind
- Einholung und Prüfung von Rechnungen seitens der Publikationsdienstleister zu Anfang eines Finanzierungsjahres
- Einholung und Prüfung von detaillierten Verwendungsnachweisen seitens der Publikationsdienstleister zu Anfang des jeweiligen Folgejahres
Insbesondere während der Anbahnung eines neuen Konsortiums stehen Konsortialstellen vor der Herausforderung, ein attraktives Angebotspaket zu schnüren. Einerseits bedeutet das, eine oder mehrere fachlich renommierte (ggf. auch in messbaren Kennzahlen performante) Zeitschriften für die Teilnahme an der Finanzierungsumfrage zu gewinnen; andererseits darf das angestrebte Finanzierungsvolumen nicht zu einer Preisstruktur führen, die die Teilnahme für die umworbenen Bibliotheken und Informationseinrichtungen unattraktiv erscheinen lässt. In der Regel hängen die zu erbringenden Beiträge von der Größe der Einrichtung und von der Zahl der teilnehmenden Einrichtungen ab.
Stärken und Schwächen von Diamond-Open-Access-Konsortien
Neben ihrer wissenschaftsfreundlichen Stoßrichtung bieten Diamond-Open-Access-Konsortien den großen Vorteil voller Kostentransparenz, da das jeweilige Finanzierungsziel allein auf die Betriebs- bzw. Herstellungskosten ausgerichtet ist, nicht auf darüberhinausgehende Profite. Hinzu kommt, dass das für die jeweils vereinbarten Fristen gültige Finanzierungsziel (Beispiel KOALA: 3 Jahre, Beispiel OLEcon: 1 Jahr) relative Planungssicherheit sowohl für die „nehmenden“ Publikationsdienstleister als auch für die „gebenden“ Bibliotheken bedeutet. Überdies sind Verlängerungen durch das Aufsetzen neuer Konsortien dezidiert beabsichtigt.
Allerdings können die Betriebskosten bei publikationsstarken Journals hoch ausfallen, gerade in Zeiten inflationsbedingter Kostensteigerungen. Mitunter bleibt besonders in diesen Fällen die Höhe der Finanzierungszusagen hinter dem Finanzierungsziel zurück, sodass das Konsortium scheitert und die im Bündel enthaltenen Journals auf andere Finanzierungsquellen wie beispielsweise Autor*innengebühren zurückgreifen müssen. Eine weitere Schwäche dieser Form von Finanzierungskonsortien besteht darin, dass sie für erfolgreiche gewinnorientierte Gold-Open-Access-Journals oftmals unattraktiv sind, deren Einnahmen durch Autor*innengebühren weit höher sind als die eigentlichen Betriebskosten.
Auch, wenn derartige Konsortialangebote momentan eher die Ausnahme als die Regel bilden, herrscht in der Bibliothekslandschaft große Zuversicht, dass sich das Modell der Diamond-Open-Access-Finanzierungskonsortien weiter etablieren wird.[4] Dafür spricht auch, dass sich die allgemeinen wissenschaftspolitischen Rahmenbedingungen für die Weiter- und Nachnutzung sowie für die Weiterentwicklung solcher Modelle verbessert haben.[5]
[1] Konsortial finanziertes Diamond Open Access steht grundsätzlich dem scholar-led-Gedanken nahe, ist aber nicht ausschließlich auf nichtkommerzielle Publikationsorte beschränkt. So zählen nicht nur Redaktionen und Herausgeber*innen aus dem Kreis von Fachgesellschaften und universitären Instituten, sondern auch kleine und mittelgroße Verlage zu den Vertragspartnern dieser Konsortien.
[2] Vgl. das Beispiel der KOALA-Mindeststandards unter: https://www.tib.eu/de/services/koala/mindeststandards
[3] Vgl. Hillenkötter, Christine: An der Schwelle zur Transformation: „Alte“ und „neue“ Lizenzmodelle im Überblick. In: Preprints der Zeitschrift BIBLIOTHEK – Forschung und Praxis, 2018, AR 3193, S. 9f. Online: https://edoc.hu-berlin.de/bitstreams/d6317545-bd5e-4b9a-bb3b-3e33e029e9c1/download
[4] Vgl. Schenke, Julian, Stork, Karin, Tullney, Marco (2024): KOALA – ein Diamond-Open-Access-Modell als Angebot und Chance für die bibliothekarische Erwerbung. 112. BiblioCon Hamburg, 07.06.2024. DOI: https://doi.org/10.34657/13736
[5] Das belegt u. a. die Aufforderung des EU-Ratspräsidiums an die Mitgliedsstaaten, entschiedene Maßnahmen zur Durchsetzung von Open Science zu ergreifen – wozu erklärtermaßen die Förderung von gebührenfreien Open-Access-Publikationsinfrastrukturen zählt. Vgl. Magee, Rachel: EU ready to back immediate open access without author fees, 05.05.2023. ResearchProfessional News: https://www.researchprofessionalnews.com/rr-news-europe-infrastructure-2023-5-eu-ready-to-back-immediate-open-access-without-author-fees/
Wir beraten Sie gerne zum Thema Open Access
Frauke Wienert
Team Open Access
Florian Hagen
Team Open Access
Beate Rajski
TUHH Open Access Beauftragte
#OAWeek2024
#OAWeek2024: Warum CC BY die beste Wahl für Open-Access-Publikationen ist
#OAWeek 2024: Virtuelle Sprechstunde zu Predatory Publishing, Verlagsvereinbarungen und anderen Open-Access-Fragen
#OAWeek2024: Wissenschaftliche Integrität in Gefahr: Ein Blick auf Predatory Publishing und Conferences
#OAWeek2024: Wie die Wissenschaft beim Publizieren die Fäden wieder in die Hand nimmt
#OAWeek2024: Willkommen zur Open Access Week an der TU Hamburg