Eine sehr wichtige Regel beim Zitieren von fremden Arbeiten lautet:
- Quellen sollten möglichst im Original angeschaut werden!
Als Sekundärzitate bezeichnet man das Übernehmen von Inhalten, Angaben und wörtlichen Zitaten einer Publikation, die man selbst nicht vorliegen hat, die aber in einer Arbeit verwendet werden, die man selbst gelesen hat. Solche Sekundärzitate sollten vermieden werden!
Inhaltlich spricht gegen Sekundärzitate. dass der Autor, dessen Text man vorliegen hat, die eigenen Zitate in der Regel aus seiner Sicht und dadurch auch in spezifischer Auswahl wiedergibt. Manchmal können gar Daten falsch wiedergegeben werden.
Das folgende Beispiel eines Zitats eines Konferenzbeitrages eines TUHH-Autors zeigt, wie verbreitet Sekundär-Zitate sind und wie häufig Zitate – hier nur als einfache Zitierung einer Quelle – einfach abgeschrieben werden, ohne dass die Quelle überprüft wird.
Wie man schon auf Google Scholar bemerken kann, wird der folgende Konferenzbeitrag sehr häufig zitiert:
- Friedel, L. (1979). Improved Friction Pressure Drop Correlations for Horizontal and Vertical Two-Phase Pipe Flow, European Two-Phase Flow Group Meeting, Ispra, Italy, June, Paper E2.
Dies gilt selbst für aktuellste Aufsätze! Der Versuch diese Papier im Original zu bekommen, ist leider nicht ganz einfach. In der Regel muss dazu eine Fernleihe ausgelöst werden.
Im Rahmen einer Recherche im Katalog des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (GBV) stellt man schnell fest, dass die Technische Informationsbibliothek in Hannover (TIB), die Deutsche Zentrale Fachbibliothek (in anderen Ländern sagt man Nationalbibliothek) für Technik, für das Treffen der „European Two-Phase Flow Group“ im Jahre 1979 eine Publikation im Bestand hat:
- Programme and abstracts, meeting of the European Two Phase Flow Group : Joint Research Centre, Ispra, June 5 – June 8, 1979. Ispra : Ispra Establishment, Joint Research Centre, Comm. of the European Communities, 1979.
Dem aufmerksamen Auge fällt an dieser Stelle vielleicht auf, dass der Titel der Veröffentlichung im Gegensatz zu den Publikationen der Vorjahre und der Jahre danach den Titelzusatz „Programme and abstracts“ trägt. Eine Fernleih-Bestellung des Papers von Friedel liefert dann auch wirklich nur das einseitige Abstract, dass nur drei kurze Absätze umfasst.
Diese wichtige Arbeit wird also überall zitiert, ohne dass man wirklich auf diesem Weg an den Originaltext kommt? Um hier weiterzukommen, lohnt es sich an einen weiteren Tipp zum Umgang mit Fachinformation zu denken: Fach-Datenbanken nutzen!
Die Recherche mit dem Titel des Papers von Friedel in der wichtigsten, deutschsprachigen Datenbank zu den Ingenieurwissenschaften, „Technik und Management (TEMA)“ (im TUHH-Intranet!), führt zu folgendem englisch-sprachigem Aufsatz aus dem Jahre 1979:
- Friedel, L. 1979. “Improved friction pressure drop correlations for horizontal and vertical two phase pipe flow: Verbesserte Reibungsdruckabfallbeziehungen fuer horizontale und vertikale Gas-Dampf-Fluessigkeits-Rohrstroemung.” Drei R International 18 (7): 485–91.
Diese Zeitschrift ist mit diesem Jahrgang sogar im Bestand der TU-Bibliothek zu finden und man kann sich die 7 Seiten schnell kopieren.
Der Aufsatz in 3R International erschien im Heft Juli 1979, die Konferenz war im Juni 1979. Anscheinend hat der Autor auf der Konferenz in Italien inhaltlich das Manuskript seines Aufsatzes vorgetragen und eventuell dort auch verteilt. Und so entstanden die ersten Zitate, wovon andere später abgeschrieben haben. Selten wird die Mühe gemacht, den Zeitschriftenaufsatz zu publizieren.
Eine weitere Fach-Datenbank, das internationalen Web of Science (im TUHH-Intranet!), erlaubt die Recherche nach Zitaten von Aufsätzen des Autors Friedel im Jahre 1979:
Im Ergebnis tauchen beide Publikationen als zitierte Veröffentlichungen auf, es gibt sogar „Mischformen“: 😎
- Friedel, L. EUR 2 PHAS FLOW GROU,1979, 18, 485
Der Aufsatz in der Zeitschrift erreicht nur knapp 20% der Zitierungen des Papers auf der Konferenz!