VuFind und die VZG
Inzwischen ist öffentlich bekannt, dass die Verbundzentrale des GBV (VZG) eine eigene Discovery-Lösung anbietet, die Anfang 2016 unter der Open Source Lizenz AGPL veröffentlicht werden soll. Gerald Steilen von der VZG hat diese Eigenlösung erstmals Mitte Oktober 2015 vor der Facharbeitsgruppe Technische Infrastruktur des GBV und Anfang November auch in Kiel vorgestellt.
In den genannten Folien und im Protokoll der FAG-Sitzung finden sich einige Punkte, die wir so nicht stehenlassen möchten.
Die Kompatibilität zwischen verschiedenen vufind 2.x Versionen behindere die Übertragung von Eigenentwicklungen bei Upgrades. […] Herr Steilen berichtet, dass die Vorbereitung des Einsatzes von vufind 2 an anderen Standorten mit einem erheblichen Personalaufwand verbunden war; an der UB Leipzig ca. 1 Personenjahr Vorbereitung, im BSZ ca. 1,5 Personenjahre.
Es ist richtig, dass der Sprung von VuFind 1.x zu VuFind 2.x sehr groß ist und und viel Arbeit kostet. Diese Erfahrung machen auch wir gerade. Das „Problem“ liegt in der großen strukturellen Änderung, die sich beim Sprung von VuFind 1.x zu VuFind 2.x ergeben hat – das gesamte Framework wurde dabei ausgewechselt. Dass es aber auch innerhalb von VuFind 2.x zu Problemen kommen soll, ist nicht nachvollziehbar. Wenn man sich bemüht, sich nicht zu stark vom Kern zu entfernen, sind Upgrades aus meiner Erfahrung unproblematisch. Die Planung für VuFind 3 läuft derzeit eher auf kleinere Änderungen hinaus, die für den Umstieg aller Voraussicht nach nicht so gravierende Folgen hätten.
PHP 5.3, die aktuelle Basis von vufind 2.x, sei veraltet und erhält seit Ende 2013 keinen Support mehr.
Dieses Missverständnis steht nicht nur im FAG-Protokoll, es findet sich auf den Vortragsfolien aus Kiel auf Folie 49 und in den Folien aus Göttingen auf Folie 8.
Falsch ist, dass VuFind 2.x auf PHP 5.3 basiert. Eine Software hat üblicherweise Mindestvoraussetzungen. Die Mindestvoraussetzung, VuFind 2.x zu betreiben, ist PHP 5.3. Das bedeutet NICHT, dass die Software unter aktuelleren Versionen nicht lauffähig ist. Unter PHP 5.5 läuft VuFind 2.x problemlos und die Community wird sich bemühen, die Lauffähigkeit auch weitergehend zu gewährleisten. Die Originalfolien, aus denen die abgebildete Tabelle entnommen ist, sind an der Stelle leider (aus dem Kontext gerissen) auch etwas missverständlich, ich verstehe sie aber als allgemeinen Aufruf, VuFind 3 auf PHP7 auszulegen und zu testen.
Schwächen von vufind 2 wurden auch auf dem 4. vufind Anwendertreffen behandelt und finden ihren Ausdruck in zwei Stellungnahmen, die aktuelle Herausforderungen der vufind 2 Entwicklung und dessen produktiven Einsatzes adressieren.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei einem Anwendertreffen Schwächen einer Software thematisiert werden und daraus Weiterentwicklungsmöglichkeiten bzw. Wünsche für die kommende Softwareversion herausgearbeitet werden. Das gilt natürlich auch für OpenSource-Produkte. Bei einer der im Protokoll erwähnten „Stellungnahmen“ handelt es sich um eine Wunsch- bzw. Vorschlagsliste für die Weiterentwicklung von VuFind, die von der deutschen VuFind-Community kooperativ über Etherpad zusammengestellt und an die VuFind Mailingliste verteilt wurde (http://sourceforge.net/p/vufind/mailman/message/34527895/). Diese wurde auch auf dem VuFind Summit in Villanova in Amerika thematisiert und zu allen Punkten (mit einer Ausnahme) wurde Bereitschaft signalisiert, diese im Rahmen von VuFind 3.x anzugehen und zu beheben. Das sind also keine wirklichen Hürden, sondern (im Gegenteil) eher Argumente für die Aktivität der Community. Die deutschsprachige Community ist derzeit recht stark, es gibt zahlreiche VuFind-Anwender, die sich auch aktiv in die Weiterentwicklung in Amerika einbringen. Insbesondere genannt seien in diesem Kontext die KollegInnen im finc-Konsortium, die KollegInnen von Swissbib, die KollegInnen aus dem BSZ und der UB Freiburg und nicht zuletzt auch wir (die TUB Hamburg). Es gibt einige weitere deutschsprachige Anwender, die sich aber teilweise noch mit einer aktiveren Partizipation etwas zurückhalten.
Wir möchten der Verbundzentrale auf keinen Fall das Recht absprechen, neue Wege zu gehen. Dies gehört im Gegenteil sogar zu unserer Erwartungshaltung. Und auch VuFind hat mal klein angefangen.
Dennoch bedauern wir, dass die Verbundzentrale die Probleme, die sie bei VuFind identifiziert hatte, nicht innerhalb der OpenSource Community von VuFind öffentlich thematisierte. Wäre es nicht besser gewesen, ein wenig transparenter mit den erkannten Problemen umzugehen, so dass die Community gemeinsam an deren Verbesserung hätte arbeiten können? Genau das ist es, was OpenSource Software ausmacht und was gerade im Fall von VuFind bislang ganz hervorragend funktioniert.
Nur mit einer aktiven Community kann sichergestellt werden, dass eine Open Source Software weiterlebt und sich weiter entwickelt. Diese Community existiert seit einigen Jahren für VuFind, gerade auch in Deutschland. Die VZG wird hier sicherlich fehlen. Hoffen wir, dass es genug aktive Anwender für zwei Open Source Discovery Lösungen in Deutschland gibt und dass zumindest auf Indexebene eine Kompatibilität auch weiterhin erhalten bleibt.
6 Comments
[…] Twitter gab es im Nachklang zu meinem Posting VuFind und die VZG ein wenig Feedback, das hier dokumentiert […]
Beluga-Blog:
Die Zukunft von VuFind. 27. November 2015
Vielen Dank für den sehr guten Artikel. Ich wünsche dem VZG-Projekt wirklich alles Gute, aber es ist gerade für Bibliotheken, die ein neues Discovery-Projekt planen notwendig, eine klare Argumentation als Entscheidungsgrundlage zu haben. Speziell eine Verwechselung von „Systemanforderung“ und „Mindestvoraussetzung“ ist bei der Bewertung eines Softwaressystems fatal.
[…] mache. Oliver Goldschmidt von der TU Hamburg-Harburg die Kritik von Gerald Steilen detailliert widerlegt, und auch bei beluga und an der Bibliothek der Hochschule Hannover setzt man weiterhin auf […]
Es ist ärgerlich, dass (nicht nur) in dem Protokoll der Sitzung der FAG TI vom 13.10.2015 mindestens missverständliche Aussagen zu VuFind stehen, die eventuell so als „Fakten“ wahrgenommen und verwendet werden (insbesondere weil sie von jemandem kommen, von dem man erwarten würde, dass er korrekte Aussagen dazu macht).
Gut, es ist ein Protokoll, das wiedergeben soll, was in einer Sitzung gesagt wurde. Dennoch wäre es schön, wenn das Protokoll einen Hinweis zum Beispiel auf diesen Blogartikel enthalten könnte und insbesondere die einfachst zu falsifizierende Aussage, dass „PHP 5.3, die aktuelle Basis von vufind 2.x, […]“ sei, richtig gestellt würde (http://lmgtfy.com/?q=vufind+requirements&l=1#seen).
Das fände ich auch schön. Wir haben bei uns in den Fachabteilungen live erlebt, wie die gemeinsame Arbeit an TUBfind kurzfristig in Frage gestellt wurde, nachdem das Protokoll und die Folien der FAG TI online verfügbar waren. Inzwischen hat sich auch noch Günter Hipler, der in den Folien ebenfalls zitiert wurde, zu Wort gemeldet.