Lesen und KI

Texte besser verstehen mit KI-„Copilot“? Workflow und Gedanken zur Kombination von Zotero und SciSpace

Wissenschaftliche Texte sind nicht immer leicht zu verstehen. Neben verschiedenen Lesemethoden wie PQ4R (Fragen an einen Text stellen) oder dem kursorischen Lesen (ein Text wird Schritt-für-Schritt gelesen) und Notiztechniken wie dem Cornell-System sowie anderen Strategien zur Notizenerstellung können dabei auch digitale Werkzeuge helfen.

In diesem Beitrag wird dafür die Kombination von Zotero und SciSpace beschrieben. Diese war auch Thema in der Veranstaltung „Kein Chaos, kein Vergessen, kein Plagiat – besser schlafen dank Literaturverwaltung“ am 15.02.2023 im Rahmen der Workshop-Reihe „Collect, Write, Publish“. Da aus zeitlichen Gründen nicht umfassender diskutiert werden konnte, sind einige Ideen, Gedanken und Anregungen in den vorliegenden Blogbeitrag geflossen.

Während Zotero seit vielen Jahren als DAS Open-Source-Literaturverwaltungsprogramm gilt, handelt es sich bei SciSpace um eines von vielen KI-unterstützten Tools, die im Zuge des Hypes um ChatGPT in den vergangenen Wochen und Monaten in Wissenschaft und Forschung rege diskutiert werden. Mehr oder weniger auf Knopfdruck kann SciSpace (potenziell) schwer verständliche Texte in einfachere Worte mit zusätzlichen Informationen „übersetzen“.

Der Text behandelt nachfolgend zwei Themen:

  • A. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für den Workflow zwischen Zotero und SciSpace.
  • B. Reflexion über den Einsatz von KI-Tools zur Forschungsunterstützung.
Lesen und KI
Texte verstehen mithilfe von KI? (Abbildung von Ines Rettmer, CC BY 4.0)

A. Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Kombination von Zotero und SciSpace

1. Bevor wir uns SciSpace anschauen, öffnen wir Zotero (Beschreibung der Schritte basiert auf Zotero 6.0.21, macOS). Mit einem Klick auf „Datei“ und „Neue Sammlung“ erstellen wir einen neuen Ordner. Dieser wird „0_SciSpaceTestflug“ genannt. Natürlich kann hier beim parallelen Mitmachen auch ein – für das jeweils individuelle Forschungsvorhaben – thematisch passenderer Titel gewählt werden.

Sammlung anlegen
Anlegen einer neuen Sammlung (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

2. Haben wir bereits PDF-Volltexte heruntergeladen und in Zotero gesammelt, so können wir diese nun per Drag-and-drop in unseren neu angelegten Ordner „0_SciSpaceTestflug“ schieben. Wenn keine Volltexte zur Verfügung stehen, können wir bspw. auf TORE (TUHH Open Research) die Funktion des Durchstöberns nutzen, um Artikel zu sammeln. Ich habe hier nach „Informationskompetenz“ gesucht und anschließend zur Einschränkung am rechten Bildschirmrand über die Facettierung lediglich „publications“ ausgewählt. Da die Anzahl der Treffer mit 43 überschaubar ist, überfliege ich die Trefferliste und wähle aus Eigeninteresse den Titel „Informationskompetenz 2.0 und das Verschwinden des Nutzers“ aus.

TORE-Suche
TORE-Suche nach „Informationskompetenz“ (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

Alternativ können auch Fachdatenbanken, Google Scholar oder andere Suchwerkzeuge verwendet werden. Um ein weiteres PDF für die Zotero-Sammlung zu finden, recherchiere ich über Google Scholar nach „information literacy“ und nehme wie schon bei TORE einige (häufiger zitierte) Veröffentlichungen über den Zotero Connector in die Sammlung „0_SciSpaceTestflug“ auf. Die Funktion des Zotero Connectors und andere Möglichkeiten des Hinzufügens von Literatur in Zotero ist umfassender im Beitrag Einstieg in die Literaturverwaltung – Zotero in 7 Schritten beschrieben.

Zotero Connector
Aufnahme von Veröffentlichungen über den Zotero Connector (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

Schauen wir in unseren Ordner in Zotero, so sollten nun mehrere Titeleinträge mit angehängten PDF-Volltexten zur Verfügung stehen.

3. Jetzt rufen wir die Webseite von SciSpace auf. Um SciScpace zu nutzen, benötigen wir einen Account. Dazu klicken wir auf „Sign Up“.

4. Nach der Einrichtung des Accounts wählen wir auf der SciSpace-Seite „My Library“ aus.

My Library
Auswahl von „My Library“ (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

5. Hier lässt sich auf der linken Fensterseite eine neue Sammlung über Auswahl von „+“ und Bestätigung der Benennung generieren. Die Nutzung dieser Funktion ist allerdings nur erforderlich, wenn keine Verknüpfung zwischen Zotero und SciSpace hergestellt werden soll.

SciSpace-Sammlung anlegen
Sammlung bei SciSpace anlegen und benennen (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

6. Am rechten Bildschirmrand befindet sich die Option „Import from Zotero“. Nach Klick auf diese erscheint ein Fenster, um die Verbindung zwischen SciSpace und Zotero herzustellen („Connect to Zotero“).

Zotero-SciSpace-Verbindung
Verbindung zwischen Zotero und SciSpace herstellen (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

7. Nach Klick auf „Connect to Zotero“ ist der Login in den eigenen Zotero-Account erforderlich.

Zotero-Login
Zotero-Login (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

Zotero fragt anschließend nochmals bzgl. der Verbindung zu SciSpace, was mit Klick auf „Accept Default“ bestätigt werden muss, wenn die Einrichtung der Verbindung fortgesetzt werden soll.

Key-Verbindung
Verbindung durch Klick auf „Accept Defaults“ bestätigen (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

8. Die Verbindung zwischen Zotero und SciSpace ist eingerichtet und SciSpace öffnet eine Auswahl für den Import von Zoterosammlungen. Wir wählen die extra eingerichtete Sammlung „0_SciSpaceTestflug“ und klicken unten rechts auf den orangen „Import“-Button.

PDF-Import
PDF-Volltexte aus Zotero in die SciSpace-Sammlung importieren (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

9. Der Ordner und die darin enthaltenen PDF-Volltexte befinden sich nun auch in unserer SciSpace-Bibliothek. Es kann jetzt ein beliebiger Artikel im eingerichteten Ordner per Mausklick geöffnet werden.

Importierter Ordner
Importierter Zotero-Ordner in der SciSpace-Sammlung (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

Nach einem Mausklick wird nicht nur der Artikel selbst, sondern auch der „Copilot“ geöffnet. Dieser kann unser Textverständnis bei Bedarf (potenziell) unterstützen.

Copilot-Funktion
Artikelfenster und Copilot-Funktion (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

10. Verstehen wir beim ersten Anlesen zum Beispiel bestimmte Wörter, Ablaufbeschreibungen und Ähnliches in einem wissenschaftlichen Text nicht, so können wir diese Textstelle markieren. Nun haben wir zwei Optionen:

Optionen nach Textmarkierung
Nachdem ein Text markiert wird, bietet SciSpace zwei Bearbeitungsoptionen (Screenshot nicht unter freier Lizenz)
  • Mit Klick auf „Text hervorheben“ erscheint ein Fenster, indem eine Farbe für die Textmarkierung gewählt und zusätzliche Anmerkungen manuell erstellt werden können.
  • Mit Klick auf „Explain text“ „übersetzt“ SciSpace ausgewählte Textabschnitte in andere Worte mit zusätzlichen Erläuterungen oder erklärt auch einzelne Begrifflichkeiten. Noch offene Fragen und Unklarheiten lassen sich über Folgefragen mithilfe eines Klicks auf „Ask a follow up question“ klären:
Fragen an den Text stellen
Textabschnitte und einzelne Begriffe lassen sich über „Explain text“ und Folgefragen durchdringen (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

11. Mit Klick auf „Explain math & table“ und Markierung der gewünschten Stelle mit dem Auswahlwerkzeug lassen sich auch weitere Dokumentbestandteile wie Formeln oder Tabellen durch die Copilot-Funktion erschließen.

Formeln erklären lassen
Neben Textstellen können auch Tabellen oder Formeln erklärt werden (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

12. Die Notizen in SciSpace lassen sich unter dem Copilot-Fenster mit einem Klick auf „Save as note“ in SciSpace abspeichern. Bestätigt wird das Abspeichern im nachfolgenden Fenster mit einem erneuten Klick auf „Save“.

Notizen speichern
Notizen über „Save as note“ abspeichern (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

Für die Arbeit mit Notizen empfiehlt es sich jedoch, im Rahmen der eigenen Literatursammlung in Zotero mit Notizen zu arbeiten (siehe Schritt 13).

13. Sollen ein „besonders gelungener“ Austausch oder Notizen zwischen uns und dem Copiloten festgehalten werden, so kann dies über den Notizeneditor in Zotero geschehen. Dazu öffnen wir den eben in SciSpace bearbeiteten Text in Zotero (Doppelklick auf PDF oder Literatureintrag) und heben den Begriff oder Textabschnitt mit dem Textmarkierungswerkzeug und Auswahl einer Markerfarbe hervor.

Textstelle in Zotero markieren
Textstelle in Zotero markieren (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

14. Zotero legt im linken Annotationsfenster eine Annotation an. Bei dieser haben wir die Möglichkeit, zusätzliche Kommentare anzuhängen („Kommentar hinzufügen“).

Textmarkierung in Zotero mit Kommentar
Einer Textmarkierung in Zotero einen Kommentar hinzufügen (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

15. Die gewünschten Informationen in SciSpace kopieren wir mit den gängigen Tastaturkürzeln (Windows: Strg+C, Strg+V; macOS: Command+C, Command+V) und fügen diese in Zotero als Kommentar bei der jeweiligen Annotation ein.

Kommentar im Zotero-Notizeneditor
Hinzugefügter Kommentar im Zotero-Notizeneditor (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

Hinsichtlich der guten wissenschaftlichen Praxis sollte dem Kommentar ggf. noch ein Hinweis auf den Ursprung der Definition für eine eventuelle Weiterverarbeitung und kritische Auseinandersetzung angehängt werden. Im abgebildeten Beispiel ist dies über ein Tag erfolgt.

16. Nach diesem Schema lassen sich ggf. ganze Artikel durchdringen, sodass am Ende die relevanten Informationen und Zusammenhänge verstanden werden. Wie die aus diesem Prozess entstehenden Anmerkungen den Weg in unsere PDF-Eintragsnotizen in Zotero oder in einen Textentwurf in Programmen wie Word oder LibreOffice schaffen, ist Schritt für Schritt im Beitrag Mehr Zeit für die Forschung: Schritt-für-Schritt-Anleitung für den PDF-Reader und Notizeneditor von Zotero 6 beschrieben.

Mit Blick auf unterschiedliche Lehrveranstaltungen im vergangenen Semester könnte das oben beschriebene Vorgehen bspw. eine gute Ergänzung im Methoden- und Werkzeugkoffer von Studierenden (und natürlich auch Forschenden) in unterschiedlichen Studien- und Karrierestufen sein. Zum einen, um sich einen schnellen Überblick über (neue oder sich schnell entwickelnde) Fachgebiete zu verschaffen. Zum anderen aber ganz konkret durchaus auch, um zum Beispiel Literatur-Reviews zu erarbeiten oder einfach den ersten Schritt zur Auseinandersetzung mit einem Thema zu gehen und eventuelle Lern-, Lese- oder Schreibblockaden zu lösen.

B. Reflexion über den Einsatz von KI-Tools zur Forschungsunterstützung.

Die Verständlichkeit wissenschaftlicher Publikationen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es ist immer möglich, dass stilistische und rhetorische Eigenheiten von Autor*innen den Zugang zu wertvollen Erkenntnissen erschweren. Gleichzeitig kann es sein, dass Leser*innen (noch) nicht den erforderlichen Wissensstand in der Domäne einer Publikation haben oder es auch (noch) an den Kompetenzen mangelt, überhaupt Texte zu erschließen. Tara Westover, die in ihrem Buch „Befreit“ eindrucksvoll den eigenen Bildungsweg aus ihrer wissenschaftsfeindlichen Familie hin zu einer erfolgreichen Promotion in Cambridge beschreibt, kommt bezüglich besagter Kompetenzen zu dem Schluss:

Rückblickend erkenne ich, dass das meine Bildung war, diejenige, die wichtig war: die Stunden, die ich an einem geliehenen Schreibtisch saß und mühevoll schmale Stränge mormonischer Lehre in Nachahmung meines Bruders analysierte, der mich verlassen hatte. Die Fertigkeit, die ich mir aneignete, war wesentlich: die Geduld, Dinge zu lesen, die ich noch nicht verstand (Westover, Tara, 2020, Befreit, 4. Auflage, Kiepenheuer & Witsch, S. 98).

Ohne Frage kann es ein Gewinn sein, mithilfe von Tools wie SciSpace besser zu verstehen, worum es in (wissenschaftlichen) Texten geht. Fragen ließe sich allerdings, ob es sich hierbei um eine Abkürzung handelt, die auch eine Kehrseite hat. Wenn Geduld eine Tugend ist, dann kann die Praxis des Lesens auch zunächst unverständlicher Texte der Anlass sein, sich in dieser Tugend zu üben. Prellen sich Studierende um den Erwerb einer für Bildung zentralen Fertigkeit, wie Westover es sieht, wenn sie sich beim Leseverständnis von Algorithmen helfen lassen?

Mit der Lesekompetenz eng verbunden ist im akademischen Zusammenhang die Schreibkompetenz. Der äußerst hilfreiche Vergleich von Ted Chiang „ChatGPT Is a Blurry JPEG of the Web“, dass es sich beim Sprachmodell hinter ChatGPT um ein in der Auflösung reduziertes Abbild der Wirklichkeit handele, motiviert hier einen weiteren Gedanken: Tools wie SciSpace reduzieren die „Auflösung“ wissenschaftlicher Texte, indem sie das Wesentliche einer Passage oder eines Begriffs herausstellen und so den Blick auf das Wesentliche freimachen können. Damit einher geht eine Zunahme von blurryness, die – und das wäre auf lange Sicht zu beweisen – von Vorteil ist, weil sie eben helfen kann, komplizierte Sachverhalte besser zu verstehen. Wenn es aber ums Schreiben geht, ist eine „Erhöhung der Auflösung“ gefragt, zunächst unscharfe Gedanken müssen im Schreibprozess klar und deutlich in Worte gefasst werden, um den Erkenntnisprozess von Forschung möglichst verlustfrei zwischen Subjekten teilen zu können. Auch dieser Prozess erfordert Geduld und stellt die Ausbildung wesentlicher Fertigkeiten dar, worauf auch John Warner in Why They Can’t Write hinweist (auch im Bestand der TUB verfügbar).

Die epistemischen Grenzen von Anwendungen wie SciSpace werden mit einem Blick in die technischen Zusammenhänge deutlich. Sprachmodelle werden bisher aus einem finiten Pool von Texten trainiert. Der Vorgang ist sehr zeit- und energieaufwändig. Die Geschwindigkeit und Menge von Forschungspublikationen kann in diesem Prozess nicht abgebildet werden. Daher entstehen die Erläuterungen, die Tools wie SciSpace anbieten, immer mit einer den Forschungsstand betreffenden Latenz und qualitativer Unvollständigkeit. Aber deshalb solche Tools für Studium und Forschung auszuschließen, lässt sich nicht rechtfertigen. Denn auch der Wissensstand von Kommiliton*innen in höheren Semestern und Hochschullehrenden, die ich um eine Erklärung eines unverständlichen Textes bitte, kann veraltet und unvollständig sein. Daher ist hier nicht die Frage zu stellen, ob Menschen oder Maschinen besser sind, um Wissenschaft zu erklären.

Auf lange Sicht kann vielleicht eher der folgende Gedanke leitend sein: KI-Systeme verfügen (noch) nicht über eigene empirische Zugänge zur Welt. Sie generieren ihre Ausgaben auf Basis von Statistik und lernen nicht in einem konstruktivistischen Sinne. Sie sind, wie Daniel Kehlmann sagt, „Zweitverwerter“ von Weltwissen und damit angewiesen auf die Vermittlung von „Welt“ durch uns Menschen. Wenn es also nicht auf lange Sicht zu einem qualitativen Generationsverlust in den Trainingsdaten kommen soll, dann braucht es weiterhin originären Content im Netz, der Eingang in neue Trainingsprozesse von KI-Modellen findet. Dieser entsteht durch Menschen, die gut in generativen Prozessen wie bspw. dem Schreiben sind und sich dabei möglicherweise von KI helfen lassen könnten, die Strukturen vorschlägt oder Formulierungsvarianten anbietet.

Die Worte von Tara Westover weisen auf den Akt der Nachahmung hin, der in Lernprozessen eine wichtige Rolle spielt. Sie sieht ihren Bruder viel Zeit verbringen mit dem Lesen und schließt daraus, dass es so sein muss, wenn man Schriften verstehen will. Es könnte daher von Bedeutung sein, welches Bild Vorbilder im Hochschulkontext in Zukunft vom Lesen und Lernen vermitteln. Ist Eile geboten oder liegt auch Potenzial in der Langsamkeit?

CC BY 4.0
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind – sofern nicht anders angegeben – lizenziert unter CC BY 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: Texte besser verstehen mit KI-„Copilot“? Workflow und Gedanken zur Kombination von Zotero und SciSpace von Axel Dürkop und Florian Hagen, Lizenz: CC BY 4.0. Der Beitrag und dazugehörige Materialien stehen auch im Markdownformat und als PDF zum Download zur Verfügung.
Illustration der Zugänglichmachung von Wissen

Mit 7 Tipps zu barrierearmen Powerpointfolien

Für viele Menschen ist es schwierig oder gar nicht möglich, Inhalte von Dokumenten gut zu erkennen. Ein Grund können unterschiedliche Beeinträchtigungen des Auges sein (bspw. Farbenblindheit). Oftmals fällt in diesem Zusammenhang der Begriff „Barrierefreiheit“. Letztere bedeutet, dass u. a. Gegenstände oder Medien so gestaltet sind, dass sie von allen Menschen unabhängig von einer Behinderung ohne Einschränkungen genutzt werden können. Zum Teil wird anstelle von „barrierefreien“ Inhalten auch von „barrierearmen“ Inhalten gesprochen. Fortan wird letzterer Begriff auch in diesem Beitrag überwiegend verwendet, da trotz aller Bemühungen meist nicht alle Hindernisse behoben werden können.

Gedacht wird beim Thema Barrierearmut nicht selten zunächst an technische Möglichkeiten bei der Umsetzung bzw. Nutzung von Webseiten. Hier spielen Kontraste, Schriftgrößen oder Optionen für Screenreader eine Rolle. Vergessen wird dabei häufig, dass dieses Thema auch viele weitere Inhalte und Kommunikationsmittel im Alltag abseits von Webseiten betrifft. Ob E-Mails, Tools zur Online-Kommunikation oder Präsentationen: Mit wenigen kleinen Maßnahmen lassen sich auch diese Inhalte ohne großen Aufwand verständlicher gestalten. Nachfolgend soll dies am Beispiel von Powerpointfolien mit Hilfe von sieben Tipps verdeutlicht werden.

Illustration der Zugänglichmachung von Wissen
Auch Powerpoint-Folien können von Barrieren befreit werden (Abbildung: „Accessible Knowledge“ von Kati Szilágyi for Wikimedia Deutschland e.V., Lizenz: CC-BY-SA-4.0)

Powerpoint dient in diesem Beitrag als Beispiel, da sich das Programm als Präsentationssoftware durchgesetzt hat und selbst abseits von Lehr-Lernkontexten in Hochschulen und Schulen nahezu überall eingesetzt wird. Zudem hat Powerpoint je nach Version bereits einige nützliche Funktionen eingebaut, die bei der barrierearmen Gestaltung unterstützen. Die Umsetzung ist nicht schwer und bietet auch für Personen ohne Beeinträchtigung durchaus einen Mehrwert. Viele der sieben Tipps für die Erstellung zugänglicherer Powerpoint-Inhalte lassen sich auch auf andere Programme übertragen.

Tipp 1: Eine „barrierefreie“ Designvorlage von PowerPoint verwenden

Bei PowerPoint kann gezielt nach „barrierefreien“ Foliendesigns gesucht werden (Datei > Neu > „barrierefrei“ eintippen > das Design, das gefällt auswählen). Es gibt viele verschiedene Designvorlagen zu vielen verschiedenen Themen. Außerdem hat man so bereits eine gute Grundlage und kann das entsprechende Foliendesign mit ein paar Mausklicks schnell und ohne großen Aufwand verwenden. Hier sind viele der Tipps bereits beherzigt und es hilft bei der Erstellung.

In Powerpoint lassen sich „barrierefreie“ Folienvorlagen suchen (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

Tipp 2: Lesereihenfolge manuell festlegen und überprüfen

Häufig wird die Lesereihenfolge vom Programm automatisch so festgelegt, wie die Objekte auf einer Seite angelegt wurden. Dies macht nicht unbedingt immer Sinn, wenn die entsprechenden Folien von einem Bildschirmleseprogramm vorgelesen werden.

Besser ist es, die fertigen Folien noch einmal auf die korrekte Lesereihenfolge zu überprüfen und ggf. die Reihenfolge der Objekte anzupassen. Dann kann das Leseprogramm die Seite von oben nach unten in korrekter Logik so vorlesen, wie es auch sehende Personen lesen würden. Einer möglichen Verwirrung wird somit vorgebeugt.

Lesereihenfolge in Powerpoint
In Powerpoint lässt sich die Lesereihenfolge überprüfen (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

Um die Lesereihenfolge überprüfen zu können, öffnet man bei der 365-Version von Office den Reiter „Überprüfen“ und wählt dort die Barrierefreiheitsprüfung aus. Dort lässt sich der Punkt „Lesereihenfolgebereich“ auswählen und man bekommt an der rechten Seite die Reihenfolge angezeigt, in der jede Folie gelesen werden würde. Dort lässt sich die Reihenfolge auch sehr leicht ändern.

Hierbei kann vor allem auch helfen, das vorgegebene Titelfeld der Folien als solches zu nutzen und kein eigenes Eingabefeld einzufügen. Wenn das Feld als Titelfeld definiert ist, kann es sehbeeinträchtigen Personen bei der Navigation durch die Präsentation helfen, da es als Orientierung durch den Foliensatz dient.

Microsoft-Hilfe: Lesereihenfolge festlegen

Tipp 3: Bilder mit aussagekräftiger Bildunterschrift und Alternativtext

Wenn in Präsentationen verwendete Bilder nicht erkannt werden können, ist es schwierig, die Aussagekraft dahinter zu beurteilen. Deshalb sollten Abbildungen möglichst mit einem prägnanten Alternativtext belegt werden, um sehbeeinträchtigte Menschen bzw. Personen mit Leseprogramm die Möglichkeit zu geben, diese im Kopf visualisieren zu können. Eine kurze Beschreibung des Bildes, seiner Absicht und das, was an dem Bild wichtig ist, reicht hier bereits aus.

  • Beim Einfügen eines Alternativtextes gibt es auch die Möglichkeit, einen Titel einzufügen. Diese Möglichkeit sollte nur genutzt werden, wenn der eingefügte Alternativtext sehr lang ist. Außerdem sollte darauf verzichtet werden, hier den identischen Text einzufügen, der als Alternativtext bereits verwendet wurde. Wenn Titel und Alternativtext denselben Text enthalten, wird dieser doppelt vorgelesen, ohne seine Aussagekraft zu vergrößern.
  • Ab der Officeversion von 2019 können Bilder auch als „Dekoration“ gekennzeichnet werden. Dies sollte man tun, wenn die eingefügten Abbildungen lediglich der visuellen Gestaltung dienen. Personen mit Bildschirmleseprogrammen wird somit signalisiert, dass keine wichtigen Informationen fehlen. Hierzu öffnet man den Reiter „Überprüfen“ und das Feld „Barrierefreiheitsprüfung“. Dort kann man den Punkt „Alternativtext“ auswählen. Sollte ein genutztes Foto keinen inhaltlichen Kontext haben, gibt es hier auch die Möglichkeit, das Kästchen mit „Als dekorativ markieren“ auszuwählen. So wird das Bild vom Leseprogramm ignoriert.
Bild als dekoratives Element markieren
In Office 2019 und neueren Versionen lassen sich Abbildungen als dekorative Elemente markieren (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

Leseprogramme können häufig auch Linklisten durchsuchen. Hier ist es hilfreich, wenn die einzelnen Links zusätzlich mit einer „QuickInfo“ belegt sind. Dies sind kleine Fenster, in denen ein beschreibender Text angezeigt wird, sobald mit dem Mauszeiger auf einen Link gezeigt wird. So kann eingeschätzt werden, was sich hinter den einzelnen Links verbirgt, ohne jeden einzeln anklicken zu müssen. Der Hyperlink alleine ist in den wenigsten Fällen aussagekräftig und trifft keine Aussage über den Inhalt der Webseite.

Um eine QuickInfo für einen Link zu hinterlegen, wählt man den Link aus, macht einen Rechtsklick mit der Maus und wählt „Link bearbeiten“. Es öffnet sich ein Feld und man hat oben Rechts die Möglichkeit, eine QuickInfo zu hinterlegen. Diese wird dann ebenfalls angezeigt, wenn man mit der Maus über den entsprechenden Link fährt. Hier ist es ebenfalls sinnvoll, einen möglichst prägnanten Text einzugeben.

Tipp 4: Neben Farben weitere Möglichkeiten für inhaltliche Bewertung nutzen

Von einigen Menschen können gewisse Farben oder Farbkontraste nicht richtig erkannt werden und es fällt ihnen u. a. schwer, in einzelnen Diagrammen die Torten- oder Balken-Formen zu unterscheiden. Hilfreich ist es hier, diesen Formen neben unterschiedlichen Farben auch unterschiedliche Muster zuzuordnen. Hilfreich ist dies auch, wenn man sich die Folien später bspw. in schwarz-weiß ausdrucken möchte und aufgrund der fehlenden Farben eine andere Möglichkeit der Unterscheidung benötigt.

  • Um zu überprüfen, ob die Folien auch für farbenblinde Menschen identifizierbar sind, kann in Powerpoint unter „Ansicht – Graustufe“ das gesamte Design auf Graustufen umgestellt werden – so lässt sich leicht prüfen, ob einzelne Aspekte noch unterscheidbar sind. Wie in dem angefügten Beispiel lassen sich die Balken farblich nicht länger unterscheiden.
  • Balkendiagramm mit Farben
  • Balkendiagramm in Grautönen

Tipp 5: Farbkontrast und Schriftart

PowerPoint-Folien sollten generell nicht mit zu viel Text gestaltet werden. Dies ist auch bei barrierearmen Folien wichtig. Zudem ist für gute Lesbarkeit der beste Weg, einen Schriftgrad von 18 pt. (oder größer) und eine serifenlose Schriftart wie Arial oder Calibri zu verwenden. Serifenlos bedeutet hier, dass möglichst wenig Schnörkel an den einzelnen Buchstaben vorhanden ist. So können die Folien auch in den hinteren Reihen und gerade von Personen mit Sehbeeinträchtigung möglichst gut gesehen werden. Auch bei Text sollte darauf geachtet werden, dass wichtige Informationen nicht ausschließlich durch Farbe, sondern möglicherweise zusätzlich durch Unterstreichungen gekennzeichnet werden sollten.

Zudem sollte auf die entsprechenden Farbkontraste zwischen Text und Hintergrund geachtet werden.

Beispielsweise:

… weiße Schrift auf möglichst dunklem Hintergrund

…alternativ: schwarze Schrift auf weißem oder sehr hellem Hintergrund

Hier hilft die Regel: je geringer der Kontrast, umso schwieriger ist es, den Text zu entziffern und zu lesen. Je höher der Kontrast zwischen Schrift und Hintergrund, desto besser ist die Schrift am Ende lesbar. An dieser Stelle können die Designvorschläge von PowerPoint unterstützen. Dort sind häufig schon entsprechende Kontraste eingestellt.

Tipp 6: Gendern – ein Problem

Von vielen Leseprogrammen wird das Gendersternchen wie auch der Doppelpunkt als solches wörtlich ausgesprochen.

Beispiel:

  • (Dozent – Sternchen – innen).

Dies stört natürlich das Zuhören und ist nicht förderlich für das Verstehen des Vorgelesenen. Die TUHH und auch der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. empfehlen, das Gendersternchen zu nutzen, da dies die meist verwendete Form ist und somit möglicherweise im Leseprogramm zum Vorlesen ausgestellt werden kann. Zudem bildet das Gendersternchen insgesamt die größte Geschlechtervielfalt ab. Generell ist eine erstrebenswerte Lösung, möglichst Wörter zu finden, die ohne Genderstern oder Doppelpunkt auskommen und hierbei zeitgleich kein Geschlecht ausschließen („Unternehmen“ statt „Arbeitgeber“ – „Studierenden“ statt „Studenten“). Hier kann möglicherweise auch ein Wörterbuch zur genderneutralen Sprache Abhilfe schaffen, wenn kein geeignetes Wort einfallen möchte.

Tipp 7: „Barrierefreiheitsprüfung“ von Microsoft

Ein letztes Mittel, um sicher zu sein, dass die erstellten Folien möglichst barrierearm sind, ist die „Barrierefreiheitsprüfung“ von Microsoft. Die Folien werden hier noch einmal abschließend auf Barrieren überprüft. Zudem werden Schwachstellen, die einem möglicherweise im Vorfeld nicht aufgefallen sind, noch einmal aufgelistet. So bietet sich hier dann die Möglichkeit, diese noch einmal zu ändern, wenn das Verständnis der Folien dies zulässt. In der Version von 2016 kann man die Barrierefreiheitsprüfung am einfachsten oben in die Suchleiste eingeben, um die einzelnen Folien prüfen zu lassen.

In neueren Versionen ist die Barrierefreiheitsprüfung über den Reiter „Überprüfen“ und dann „Barrierefreiheitsprüfung“ zu finden. Es öffnet sich an der rechten Seite eine Spalte, in der angezeigt wird, wenn etwas nicht barrierearm sein sollte. Microsoft gibt zudem auch gleich Änderungsvorschläge vor, um die Hürden möglichst schnell korrigieren zu können, wenn man den kleinen Pfeil öffnet, der neben den einzelnen Objekten zu sehen ist.

Ergebnis Barriereueberpruefung
Die Ergebnisse der Überprüfung von Barrieren werden in Powerpoint am rechten Bildschirmrand angezeigt (Screenshot nicht unter freier Lizenz)

Sollte noch mehr Hilfe nötig sein, kann man auf der Microsoft-Hilfe-Seite die Barrierefreiheitsprüfung aktivieren.

Habt Ihr weitere Tipps, Anregungen oder Informationen zu barrierearmen Materialien? Teilt diese doch gerne über die Kommentarfunktion.


Über die Autorin:

Frauke Wienert arbeitet seit September 2022 als Bibliothekarin in der Abteilung der Medienbearbeitung der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Hamburg. Sie hat Bibliotheks- und Informationsmanagement an der HAW Hamburg studiert und währenddessen unter anderem für die Helmut-Schmidt-Universität sowie für das Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen der Uni Hamburg gearbeitet. Hier hat sie bereits Workshopmaterialien zum Thema „Barrierefreiheit“ zusammengestellt.


CC BY 4.0
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind – sofern nicht anders angegeben – lizenziert unter CC BY 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: Mit 7 Tipps zu barrierearmen Powerpointfolien von Frauke Wienert, Lizenz: CC BY 4.0. Der Beitrag und dazugehörige Materialien stehen auch im Markdownformat und als PDF zum Download zur Verfügung.
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